Geschichten die das Leben schrieb: Die Quallenfischer von Schönberg

Im Ostseebad Schönberger Strand existiert noch heute die alte Tradition einer Fischerei-Spielart, von der Außenstehende, insbesondere außenstehende Landratten, noch nie gehört haben:

Die Quallenfischerei.

Das schwer zu erlernende Handwerk wird nicht vom Vater auf den Sohn, sondern stets generationsüberspringend vom Urgroßvater auf den Urenkel vererbt – mit ein Grund, warum es lange ausgestorben schien. Schwer zu erlernen und zu beherrschen ist die Kunst des Quallenfischens schon deshalb, weil die glibberigen Ostseequallen (die nicht mit den stramm festkörperhaften Muskelquallen der Nordsee oder erst recht den gepanzerten Raubquallen um Island zu verwechseln sind) mit normalen Fischernetzen nicht zu erbeuten sind.

Nein, man muß hier auf das Geschick und die Erfindungsgabe des norddeutschen Menschenschlages zurückgreifen, um zu einem erfolgreichen Quallenfischer zu werden. Und das tut der norddeutsche Mensch: Urfischer Hein Moinsen, der mythologische Gottseibeiuns der Quallenfischer, wusste was er tat, als er – so die Sage – nach einem nächtlichen Gelage morgens früh um 4:00 seinen Kahn bestieg und auf die schimmernde Ostsee hinausfuhr.

Beseelt vom herben Landbier und etlichen Lagen Köhm brachte er einen großen Eimer an der Backbordseite des Bootes an. Sodann tauchte er eine Hand in das salzige Element, wedelte diese in langsamem, gleichmäßigem Rhytmus hin und her und sang spontan diese Verse:

„Qualle, Quällchen, schönes Glibbern!

Lass mich hier nicht lange dibbern*,

Kommt herbei, ihr kleinen Schleimer,

springt in meinen Qualleneimer!“

Was die Quallen dann auch taten. Lag es am norddeutschen Singsang des Urfischers? An seiner Verbindung mit den Elementen oder seiner Trinkfestigkeit? Bis heute jedenfalls ist nicht jeder zum Quallenfischer geeignet; auch manch Einheimischer kann im Wasser wedeln und die Quallenbeschwörungsverse singen bis die Flut kommt und keine Qualle springt in seinen Eimer.

Ist der Eimer aber voll und die Beute an Land gebracht, weiß nur die Quallenfischersfrau um das Geheimnis der schmackhaften Quallensuppe, die man hier im Norden auch „die Bouillabaisse des kleinen Mannes“ nennen würde, wenn man Französisch könnte.

*norddeutsch für „meckern, jammern, drängeln“

(Bilder: Einer der letzten Quallenfischer macht seinen Kutter klar und sticht in See)