Der bisherige relativ gemütliche Tagesablauf unserer Einrichtung (angesichts der Umstände herrscht – bis auf das Besuchsverbot – beinahe Normalbetrieb) ist beendet. In einem Pflegeheim um die Ecke, im Nachbar-Stadtteil Selikum, sind in einem katholischen Pflegeheim 33 Bewohner und 9 Mitarbeiter mit Covid-19 infiziert.
Das fasst unsere Einrichtungsleitung eindeutig und zu recht als Warnschuss auf und erlässt ab sofort folgende Maßnahmen: alle Wohnbereiche werden strikt getrennt, die Bewohner müssen auf ihren Wohnbereichen bleiben. Gemeinsame Veranstaltungen sind gestrichen. Mahlzeiten und Angebote des Sozialen Dienstes finden nur noch wohnbereichsbezogen statt; die Mitarbeiter – Pflege wie Sozialer Dienst – sind für die Zeit ihrer Anwesenheit im Haus nur einem einzigen Wohnbereich zugeordnet. Somit steht eine Neustrukturierung der Angebote des Sozialen Dienstes an, da fast alle Gruppenangebote wohnbereichsübergreifend sind.
Maßnahmen, die NICHT erfolgen: die Ausstattung der Mitarbeiter mit Atemschutzmasken und Handschuhen (bzw. deren obligatorische Verwendung – Schutzhandschuhe jedenfalls gibt es im Hause reichlich, weil die Pflege-Kollegen sie täglich benutzen). Getestet wird auch nicht.
Auf meine Nachfrage belehrt mich die PDL (Pflegedienstleitung), dass das Testen ja ohnehin wenig bringen würde: „Heute werden Sie negativ getestet und morgen infizieren Sie sich…“. Auch würden die Masken nichts nützen und wenn überhaupt nur die FFP2-Masken was taugen, „und ziehen Sie die mal eine Stunde auf, das halten Sie nicht aus, da schwitzen Sie wie blöd…“
Unterdessen verbreitet sich unter den orientierten Bewohnern die Neuigkeit. Ihnen ist klar, das jetzt noch weitergehende Einschränkungen ihres Lebens im Heim auf sie zukommen. Die Dementen, die schon nicht das Abstandsgebot verstehen können und einem munter weiter die Hand schütteln, umarmen oder sonstwie anfassen wollen, spüren sicher auch die insgesamt veränderte Atmosphäre im Haus. Sie können nicht erfassen, was Gründe und Auswirkungen der Veränderungen sind, erfassen aber, DASS etwas anders ist.
Die PDL begründet die Maßnahmen damit, Zustände wie im benachbarten Pflegeheim verhindern zu wollen. „Bei uns ist ja zum Glück noch keiner erkrankt oder infiziert!“ sagt sie mir. Ich so: „Frau G., wie wollen Sie das denn wissen ohne dass getestet wird?“ Frau G. schaut mich an, nickt und schweigt.