Parkspaziergang VII: Die Entführung

Diesmal haben sie es geschafft. Sie haben uns entführt. Die Zeitreisenden haben uns beide, mich und den Hund, in ihrem transtemporalen Beförderungsvehikel trans-, tele- oder sonstwie portiert, jedenfalls wurden wir aus unseren üblichen Parkrunde im Feldmühlepark heraus auf mysteriöse Weise in ihre „Schiffe“ hineingezogen (ohne dass ich eine physische Bewegung merkte) und innerhalb einer zeitlosen Spanne in eine andere Realität versetzt. 

Dabei befanden wir uns INNERHALB der „Schiffe“, umgeben von fremdartig anmutenden Gerätschaften, Messinstrumenten, Kontrollpanels usw., an denen schemenhafte „Aliens“ herumhantierten – und gleichzeitig war ich von der unhinterfragten Gewißheit durchdrungen, dass wir uns ebenso INNERHALB unseres eigenen Geistes aufhielten. Dabei waren der Geist des Hundes und meiner auf höchst belustigende Weise vermischt; so spürte ich zum Beispiel eine äußerst zufriedenstellende Fokussierung (um nicht zu sagen Reduktion) auf rein instinktive, intuitive Wahrnehmungen und ein starkes Verlangen nach Fleischsorten, deren Verzehr mich sonst ekeln würde – und zwar vorzugsweise zum Abzunagen von Knochen und Skelettteilen. Diese Wahrnehmungsphänomene beunruhigten oder verstörten mich jedoch mitnichten, sondern schienen mir im Gegenteil das Normalste und Natürlichste von der Welt; ich hinterfragte sie weder, noch machte ich mir überhaupt Gedanken dazu; sie waren einfach da.

Wie es dem Hund erging, ob er Ähnliches fühlte und sich nun auf einmal menschlicher Verstandesinhalte gewahr wurde, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls sah er mich gelegentlich mit einem Blick an, der anders und gewissermaßen „schlauer“ als sonst wirkte und von einer Mischung aus Erstaunen und Belustigung geschient war.

All dies geschah wie gesagt innerhalb einer zeitlosen Spanne einer – so dünkte es uns – extratemporaler Lücken im Raum-Zeit-Kontinuum, deren Dauer nicht festzustellen war. Waren ein paar Sekunden vergangen oder ein halber Tag? Es gab keine Möglichkeit, dies festzustellen. Ähnlich wie im Traum verging keine Zeit im herkömmlichen Sinne. wurden wir Plötzlich wurden wir,  so wie man aus einem Traum aufwacht, jedoch in einen weiteren Bewusstseins- oder Realitätszustand befördert. Allerdings einen von der Art, den man ebenfalls aus Träumen kennt: man meint, zu erwachen, stellt aber nach wenigen Augenblicken fest, dass man in einen weiteren Traum „erwacht“ ist.

Die „Schiffe“ waren dabei einerseits die Hüllen, in denen wir von A nach B transportiert wurden, andererseits hatten sie den Charakter des gesamten INNEREN unseres (meines auf jeden Fall) Bewusstsein – ein INNEN allerdings, das sich auf das gesamte Universum erstreckte. Etwas in mir sträubt sich immer noch, diese Dinger „Raumschiffe“ zu nennen, obwohl sie mich diesmal eindeutig nicht nur durch die Zeit, sondern auch durch den Raum transportierten. 

Auch wenn von dem Transport nichts zu spüren war, befanden wir uns plötzlich in einer anderen – ja was? Realität? Zeit? Einem anderen Planeten? Wir waren nun in einer rötlichen Landschaft, die ein wenig wie Arizona oder der Mars aussah. Der Himmel war von fliegenden Geräten und Maschinen bevölkert, die irdischen Naturgesetzen zu trotzen schienen. Aber waren wir überhaupt auf der Erde? Oder im 21. Jahrhundert? 

Von unseren Entführern, die während des „Transports“ ohnehin mehr wie Schatten und Schemen umhergeflattert waren, war jetzt nichts mehr zu sehen. Ein viktorianisch anmutendes Luftschiff (diesmal ein Gefährt, dass diesen Namen tatsächlich verdiente), auf dem wir uns plötzlich wiederfanden, brachte uns zu einer felsigen Anhöhe, von der aus wir einen Blick in die Weite hatten. Alles war von einer Art staubiger, aber transparenter Substanz erfüllt, die der Kommunikation unter den zahlreichen Wesen, Geräten und Elementen dieser Welt zu dienen schien, denn all diese einzelnen belebten und unbelebten Wesenheiten waren in beständigem Austausch miteinander, einem wortlosen Flüstern ähnlich, das deutlich vernehmbar war. Nicht mit den Ohren allerdings, sondern als Grundrauschen der Existenz in dieser seltsamen Welt.

Auf meiner Schulter ließ sich ein mechanischer Vogel nieder – besser: er manifestierte sich – und „erklärte“ mir diese Zusammenhänge, indem er mich bzw. mein Gehirn einbezog in das flüsternde Gemurmel der (Un-)Wirklichkeit dieser Welt. Nach einer Weile stachen aus seinem leisen Gezwitscher einzelne Worte und Sätze heraus, die er unablässig wiederholte: „Es ist ein Traum“, „Du träumst, wach auf!“, „Die Substanz der Dinge ist Traum“. 

Dann hörte ich NUR noch diese Sätze, die Bilder verschwanden und ich wachte auf. Um nicht zu vergessen, was mir gerade (wenn auch nur im Traum) widerfahren war, stand ich um, ergriff Schreibfeder und Papier, und notierte die Erlebnisse von soeben. Als ich an der Stelle angelangt war, wo der mechanische Vogel sein Mantra in meine Ohr flüsterte, geschah etwas höchst Unerwartetes: ich wachte erneut auf und war zunächst völlig verwirrt und nicht schlaf-, sondern traumtrunken. Obwohl ich wach geworden war,  war mein Empfinden das eines Träumenden, mitsamt der unbezweifelten, nie in Frage gestellten  Gewissheit, mit im Traum auch Phänomene wahrgenommen werden, die Logik und Naturgesetzen widersprechen.

Ich lag in meinem Bett, der Hund stand schwanzwedelnd am Fußende und wartete auf seine morgendliche Spazierrunde. Da es nichts anderes zu tun gab und der Kamerad sichtbar dringend Gassi zu gehen begehrte, stand ich auf, wusch kurz das Gesicht und kleidete mich in die Tagesgarderobe. 

Jetzt weiß ich nicht (mehr), wie Traum und Wirklichkeit auseinanderzuhalten sind. Findet unser Spaziergang statt, während ich träumend im Bett liege? Bin ich wirklich wach und erinnere mich an den Traum der vergangenen Nacht? Durchdringt sich am Ende gar beides und wäre damit erst recht ein Anzeichen einer von außerirdischen Zeitreisenden induzierten Parallelrealität?

Natürlich lässt sich keine dieser Fragen vernünftig beantworten. Eines steht fest: Vorläufig werden Hundi und ich den Feldmühle Park nicht mehr betreten.

Parkspaziergang VI: Universale Schwingungen und sprechende Frösche geben Botschaften ab und Rätsel auf

Eine Weile hatten die Erscheinungen uns in Ruhe gelassen und unsere Parkspaziergänge verliefen in vertrauter, fast langweiliger Ereignislosigkeit. Wir hatten uns gerade daran gewöhnt, als wir heute eines Besseren belehrt wurden – natürlich wieder im Feldmühlepark, der sich an diesem grauen Novembermorgen ruhig und leer seiner Parknatur hingab.

Hund und ich trotteten die vertrauten Wege entlang, jeder mit seinen eigenen Gedanken oder Gefühlen beschäftigt, als die bekannte, aber jedesmal wieder überraschende Verwandlung einsetzte. Ein Gefühl, als krieche ein weicher Strom flüssigen Goldes die Wirbelsäule empor und breite sich im Kopf aus, erfasste uns. Oder wenigstens mich, denn für den Hund kann ich nicht sprechen. Auch er schien aber die Veränderung im Raumzeitgefüge zu spüren. 

Noch ehe diese veränderte Wahrnehmung ganz den kognitiven Apparat des Gehirnes erreicht hatten, manifestierten sich von allen Seiten Phänomene, die die Fremdartigkeit der Situation unterstrichen und noch einmal zu ihrer merkwürdigen Nicht-Zeitlichkeit beitrugen.

Ein einzelnes Raumschiff (nach wie vor halte ich die „Besucher“ für Zeitreisende, auch wenn ich mir beim besten Willen nicht zu erklären vermag, wie ich darauf komme) schwebte bewegungslos über der Freifläche zwischen den Bäumen. Blasengleich stiegen golden schimmernde, kleine Lichter aus ihm auf und verschwanden im Novemberhimmel. Sie verbreiteten eine Atmosphäre stiller Zufriedenheit rings um die schwebende Scheibe herum; man hatte das Gefühl, im Leben nichts mehr zu brauchen außer diesen emporsteigenden und sich in etwa fünfzehn oder zwanzig Meter Höhe auflösenden Lichtpünktchen zuzusehen. Dabei wirkten sie auf ergreifende Weise lebendig, so als tanzten sie in ihrem Aufstieg einen Reigen, der eine Botschaft beinhaltete oder vermitteln sollte.

Der Gedanke, welche Botschaft das sein könnte, unterbrach die hypnotische Versenkung, in die mich der Anblick versetzt hatte. Gleichzeitig hörte ich ein mechanisches Geräusch wie von metallischen Schritten auf weichem Untergrund und erblickte eine Art Roboter, der ebenfalls so etwas wie ein kommunikatives Bewegungsmuster zeigte, indem er mit seinen drei Beinen zierliche, tänzelnde Schrittfolgen ausführte. Wieder durchdrang mich das starke Empfinden, dass mir eine Botschaft vermittelt werden sollte, doch ich kam beim besten Willen nicht darauf, welche. Ja, je mehr ich darüber nachgrübelte, in umso weitere Fernen schien eine Antwort zu rücken.

Der tänzelnde Roboter – wenn es denn einer war – richtete aus einem seiner „Augen“ (so nannte ich innerlich die scheinwerferartigen Kugeln, die mit metallenen Armen an seiner ebenfalls kugeligen Gestalt befestigt waren) einen Energiestrahl auf mich. Der bläuliche Strahl war von der Art, die den Geist in das namenlose Entzücken versetzen, das sich angesichts tiefster Erkenntnisse oder höchster Offenbarungen einstellt – nur war mir ja gar nichts offenbart worden, und an Einsicht gebrach es mir eher, denn noch immer war ich mit der Frage beschäftigt, ob in dem Ablauf der Geschehnisse, besonders aber in dem Tanz der Lichtpünktchen und des Roboters, eine Botschaft enthalten war. Und wenn ja, welche?

Inzwischen allerdings beanspruchte ein neues Phänomen meine Aufmerksamkeit: die Luft um uns herum, im gesamten Park und gefühlt ausgedehnt bis in die Unendlichkeit des grenzenlosen Universums, schien von unsichtbaren und doch wahrnehmbaren Vibrationen erfüllt. Es handelte sich meinem Eindruck nach um Schwingungen, die in einem pulsierenden Rhythmus nicht nur als eine natürliche Eigenschaft aller Dinge aus diesen zu kommen, sondern die Dinge selbst zu SEIN und die gesamte Existenz zu durchziehen schienen . Immer wieder bildeten sich andere, neue Muster, überlagerten sich, verschwanden wieder und breiteten sich wie eine unendlich abwechslungsreiche, aber gleichmäßige Melodie überall in und außerhalb aller sichtbaren und unsichtbaren Erscheinungen aus.

War dies etwa die Botschaft des „Tanzes“, den mir die Lichtpünktchen und der Roboter vortanzten? Dass alles ein endloser Reigen pulsierender Energie sei, die sich selbst genügt und gleichzeitig immer dasselbe und in jedem Moment anders ist? Aber was wäre daran denn so besonders? Was sollte eine solche Botschaft bewirken? Ich wurde immer noch nicht schlau und sprach laut – mehr zu dem Hund und mir selbst als zu irgendjemanden, denn das der Roboter mich verstehen würde, glaubte ich nicht – die Worte aus: „Ja und? Was zum Teufel wollt ihr mir damit sagen??“

Daraufhin machte es direkt hinter mir „Quak!“, und als ich mich umdrehte, stand ein Frosch in gelbem Friesennerz und Südwester-Hut vor mir und schaute mich aus intelligenten Augen und etwas herausfordernd an. Diese Wendung der Dinge war jetzt allerdings so absurd und so unerwartet, dass ich grinsen musste. „Hast du eben ‚Quak‘ gesagt?“, fragte ich den Frosch, nicht sicher, ob ich mit einer Halluzination oder einem realen Phänomen redete (aber was war schon „real“ in diesem extratemporalen mentalen Ausnahmezustand, in den nicht nur ich, sondern der ganze Park versetzt worden war?).

Der Frosch antwortete nicht, deutete aber mit seinen kurzen Ärmchen auf die Lichtpunkte und die wellenförmigen pulsierenden Schwingungen, aus denen die Luft, das Universum und alles darin zu bestehen schienen – und war verschwunden. Und mit ihm das ganze Spektakel, das mich und den Hund eine nicht zu definierende Zeitspanne lang (wenn man in diesem Kontext überhaupt von Zeit reden kann und will) umgeben hatte.

Der Hund hob das Bein und pisste dorthin, wo eben noch der Frosch (oder was immer für ein Wesen es war) gestanden hatte. Alles war wieder normal. 

Parkspaziergang V

Nachdem ich eine zeitlang Ruhe vor den extratemporalen Phänomenen hatte, die sich zuletzt in zunehmender Häufigkeit auf den Parkspaziergängen mit dem Hund ereignet hatten, war es heute wieder soweit – und zwar mit Wucht. Wir (der Hund genauso wie ich, wie ich an seinem auf einmal zeitlupenmäßig verlangsamten Gang sah) bemerkten es, als wir schon fast wieder aus dem Park – der Feldmühlepark, wie fast immer bei diesen Begebenheiten – heraus waren.

Aus dem Nichts, oder besser aus einem plötzlich einsetzenden Zeitstrudel manifestierten sich die Raumschiffe der Zeitreisenden. Zu meiner Überraschung kamen sie diesmal nicht vom Himmel, quasi im Landeanflug, sondern erschienen wie eine unvermittelt auftauchende Fata Morgana, als bereits gelandete, ruhig daliegende, bunker- oder panzerähnliche Gebilde auf der herbstlichen Parkwiese.

Aus ihnen kamen Wesen, die den typischen Vorstellungen entsprachen, die man sich von Aliens, also Extraterrestriern macht: großer Kopf, grünlich, lange, schlanke Gliedmaßen und Finger, anscheinend unbekleidet- oder steckten sie in einem körperähnlichen Exoskelett? Ich vermochte es nicht zu sagen; eigentlich kamen sie auch nicht aus den Raumschiffen, sondern waren einfach da. Zwei von ihnen näherten sich mir – gingen sie auf mich zu? Schwebten sie? Ging ich in ihre Richtung?

Wie mir von solchen Begegnungen nun schon bekannt, schienen Raum und Zeit und meine gewohnte Wahrnehmung temporal gedehnt – alles schien gleichzeitig statt linear stattzufinden – und auf fast erheiternde Weise transparent. Zwischen uns und um uns herum schwebten semi-transparente metallene Flugobjekte ohne erkennbare Richtung oder Zweckbestimmung.

Eine Weile standen wir so da. Wie lange, konnte ich unmöglich feststellen, da Raum und Zeit wie gesagt in einem gänzlich fremdartigen Rhythmus abliefen, fast so, als liefe die Zeit rückwärts und faltete den Raum bis hinunter auf die Subraum-Ebene in immer kleinere Teile, bis diese so unendlich und unbeschreiblich winzig wurden, dass der ganze Prozess sich wie von alleine umkehrte. Es war, wie wenn ein Handschuh umgestülpt wurde; ein Etwas, das dasselbe ist und bleibt, aber sein Innerstes nach außen kehrt und umgekehrt…

In diese Betrachtungen, oder besser: Erfahrungen, versunken standen die Besucher und Hund und ich uns gegenüber. Zwischen oder über uns wurde (vermutlich von den auf der Wiese liegenden Raumschiffen) das Hologramm eines metallenen Herzens projiziert, das bläuliche Lichtstrahlen aussandte. Ich studierte, schon aus künstlerischem Interesse, aufmerksam die sich bewegenden und verändernden Muster auf der schimmernden Oberfläche des Objektes. Oder waren es die Muster auf meiner Netzhaut? Allein diese Frage erschien mir das Rätsel des Daseins und den Grund der Existenz zu offenbaren – wenn ich sie denn beantworten könnte.

Ich fühlte mich wie vor einer Tür, zu der ich den Schlüssel hatte, diesen aber aus Schusseligkeit verloren hatte. Beschämt sah ich auf meine Schuhe hinab, neben denen es sich der Hund bequem gemacht hatte. Ihn focht die außergewöhnliche Raumzeitdilatation offensichtlich nicht an, er leckte sich die Pfoten und tat ganz so, als würde sich hier die normalste und natürlichste Sache der Welt abspielen.

Als ich wieder hoch blickte, war die Erscheinung verschwunden. Nicht nur das metallene Herz, auch alles andere mit ihm: die Raumschiffe, die Aliens, die schwebenden mechanischen Flugobjekte. Hund und ich sahen uns an. Beide wussten wir, dass die normale Realität uns wieder hatte; zumindest ich jedoch wusste nicht, ob das soeben Erlebte wirklich passiert war oder nicht. Wir machten uns auf den Weg nach Hause.

Parkspaziergang IV

Die gemeinsamen Parkspaziergänge, die der Hund und ich unternehmen, führen uns fast unweigerlich in den Feldmühlepark, der der erste und größte der Oberkasseler Parks ist. In letzter Zeit jedoch versuchen wir (d.h. ich, dem Hund scheint es egal zu sein), diesen Abschnitt unserer Runde zu vermeiden – zu oft gerieten wir gerade dort in merkwürdige temporale Verzerrungen bzw. Risse im Raum-Zeit-Kontinuum, die offenbar den Eintritt von außerirdischen Entitäten in unsere Welt ermöglichten und uns regelmäßig in Bewusstseinszustände jenseits des Alltäglichen beförderten. Mich jedenfalls, obwohl mir auch der Hund nach solchen Begebenheiten auf eine Weise verändert schien, die ich zwar nicht genau definieren, aber auch nicht leugnen kann.

Nun sind exaltierte und fremdartig-mysteriöse Bewusstseinszustände nichts, was mich schrecken könnte. Im Gegenteil, früher habe ich dergleichen förmlich gesucht und machte weder vor Drogen noch vor Gurus aller Art bei dem Versuch halt, aus der Haut der Normalität heraus- und in das Magische Königreich der neuronalen Zwischenwelt hineinzuschlüpfen.

Heute, als gestandener Realist mit solider kommunistisch-materialistischer Weltanschauung, strebe ich weniger nach besonderen inneren Zuständen, dafür mehr nach einem friedlichen und anständigen Leben – und zwar für alle (deswegen Kommunismus).

Um den Faden wieder aufzunehmen: auf der heutigen Morgenrunde gelangten Hund und ich durch eine Reihe erratischer Zufälle und Umstände doch wieder in besagten Feldmühlepark. Wie vermutet, befand sich dieser immer noch in einer extra-temporalen Dauerschleife raumzeitlicher Divergenz, was sich in einem plötzlichen Anstieg der Wahrnehmungsintensität äußerte:

HINTER den Erscheinungen wurden, kaum dass wir den Park betreten hatten, strukturelle Muster sichtbar, die sich in pulsierenden Rhytmen bewegten und sich zu immer neuen Formen fügten. Manche dieser Formen zerflossen und zerronnen sofort wieder, andere schienen eine gewisse Stabilität zu erlangen, aufgrund derer dem Eindruck nach eine Zeitschleuse geöffnet wurde, aus der sich konkretere Formen, Erscheinungen und Wesen manifestierten.

Eine Reihe monströser, tentakelbewehrter Raumschiffe – Zeitmaschinen? – schwebten über den zum Park hinausgehenden Gärten der Häuser in der vornehmen Leostrasse (eine der begehrtesten und teuersten Adressen in Oberkassel) und verdrängten oder verdeckten diese teilweise. Wie bei den vorigen Phänomenen ähnlicher Natur gingen von den Flugkörpern hochfrequente Strahlen aus (wenn es denn Flukörper waren; sofern sie durch die Zeit reisten, wäre die Bewegung ja eine temporale, keine physische, so das man nicht unbedingt von einem „Flug“ sprechen kann).

Genau diese Strahlen waren es, oder schienen es zu sein, die die gesamte Szenerie in eine Aura von Unwirklichkeit und schwer zu benennender „Zeitlosigkeit“ tauchten. Einem Traum gleich, wirkte alles wie verwandelt und Dinge geschahen gleichzeitig in Zeitlupe und in unerhörter Geschwindigkeit. 

Auf der Parkwiese fand gerade ein Yoga-Kurs statt. Die Teilnehmer bemerkten ganz offensichtlich überhaupt nichts von den Verschiebungen der Raumzeit und den erstaunlichen Veränderungen ringsum. Sie machten ungerührt weiter mit ihren Verrenkungen und ließen sich weder von einem abgerissenen alten Gaukler stören, der hinter ihnen ihre Bewegungen persiflierte, noch von meinem Hund, der sich auf der Wiese zwischen ihnen niedergelassen hatte und in einem Buch las.

Letzterer Umstand allerdings machte mich stutzig und veranlaßte mich, meine verbleibenden mentalen Kapazitäten auf das vage Gefühl konzentrieren, dass hier mal wieder etwas Grundlegendes in den Webfäden der Erscheinungswelt nicht stimmte. Seit wann können Hunde lesen? Von meinem jedenfalls war mir nichts dergleichen bekannt.

Auch dass leicht bekleidete Leute Anfang November in einem sichtbar von keinem Herbst heimgesuchten Park auf einer grünen Wiese Yoga machten, fiel mir plötzlich als anachronistisch und in höchstem Maße bizarr auf.

Zum Glück hatte ich auch diesmal wieder die Spezialbrille meines Großvaters dabei, die dieser in den langen Jahren, die er in Gefangenschaft einer hochtechnoiden und mystischen Alienrasse war, angefertigt hatte. Er war dort in einem extemporalen Straflager in einer subdimensionalem Zeitfalte inhaftiert, wo er freundlich behandelt wurde und Zugang zu der Alien-Technologie hatte. Auf diese Weise konstruierte er die Brille, die mir heute eine so praktische Hilfe ist. Überflüssig zu erwähnen, dass mein Großvater natürlich wusste, dass niemand ihm seine zugegebenermaßen fantastische Geschichte geglaubt hätte, weshalb er es von vornherein für weiser hielt, zu erzählen, er hätte all die Jahre „in russischer Kriegsgefangenschaft“ verbracht.

Dank der Brille und des stets aktiven Residuums von Restverstand am Grunde meines inneren Universums gelangte ich so unbeschadet aus der Zone der Zeitverschiebung. Diesmal, so versprach ich mir selber, wäre aber vorläufig das letzte Mal, dass wir diesen Park besuchen würden. Zu anstrengend (wenn auch aufregend und spannend) die jeweiligen Begegnungen der dritten, vierten oder wievielten Art auch immer, die dort auf uns warteten. Als ich diesen Entschluss dem Hund mitteilte, stutzte dieser nur kurz und antwortete dann „Egal, Hauptsache ich kann irgendwo kacken!“. Das machte wiederum mich stutzig, ja beinahe besorgt. Sollte etwa doch eine dauerhafter Auswirkung dieser Parkrunden beobachtbar sein? Wieso sonst würde der Hund mit mir sprechen? War es überhaupt der Hund oder fand all das nur in meiner Einbildung statt?

Ich blickte den Kameradin an und fragte: „Hast du eben mit mir gesprochen? Hast du das wirklich gesagt?“. Als Antwort erhielt ich ein verhalten freudiges Schweifwedeln und einen Stupser mit der kühlfeuchten Hundenase. Alles war wieder wie immer und der Tag konnte weitergehen.

Parkspaziergang III

An eine schwer greifbare, merkwürdige Fluktuation im Raum-Zeit-Kontinuum, eine gewisse außerweltliche Stimmung auf den Parkspaziergängen mit dem Hund hatte ich mich in letzter Zeit bereits gewöhnt. Was jedoch heute in mein Bewusstsein drang, legte noch einmal eine Schippe drauf: 

Kaum hatten Hund und ich den uns gemeinhin gut bekannten Feldmühlepark betreten, verschob sich eine temporale Achse im Subraum und gab den Blick (?) frei auf etwas, das ich nur als schlagartige Veränderung des gesamten Bezugssystems von Wahrnehmung und Interpretationsmöglichkeiten bezeichnen kann – allerdings ohne dass der „Schlag“ auch nur im geringsten spürbar war. 

Auf einmal, aber als wenn es schon immer so gewesen wäre, hörte die Zeit auf zu existieren und ein lautloses Donnern, das das Universum bis hinunter auf die Quantenebene erbeben ließ, breitete sich in alle Richtungen aus. Wie aus dem Nichts erschienen extra-temporale Strukturen und geisterhafte Erscheinungen, deren Beschaffenheit und Realität unmöglich zu bestimmen war.  Ein geschnäbeltes Wesen – mangels anderer Erklärungsoptionen hielt ich es für einen Zeitreisenden aus einer Parallelrealität – richtet in einer mir unbekannten Sprache das Wort an mich.

Jedenfalls schien es mir so, denn er (ich hatte aus unbestimmten Ahnungen heraus den Eindruck, es wäre ein „Er“) richtete ein einem Laubbläser gleichendes Instrument auf mich, aus dem goldglänzende, unablässig fluktuierende schillernde Blasen quollen, die ich für Elemente einer unerhört subtilen submolekularen Kommunikation zu halten gezwungen war. Gezwungen, weil ich jedes Wort verstand und gleichzeitig nicht verstand.

Aber waren es überhaupt Worte? Honigsüß und hypnotisch klangen die Töne; meinem Gehirn deuchte es, als verstünde es zwar nicht den Sinn, aber erstaunlicherweise die Farbqualität des warmen, goldenen Vortrages des Wesens.

Allein, in meinem entrückten Zustand vermochte ich nicht zu sagen, ob dieses eigentümliche Wesen wirklich zu mir sprach. War es vielleicht nur der Herbstwind, der durch die Blätter wehte und raschelte? Der mir ohne Worte zuflüsterte und suggerierte, ich sei ein Teil eines einzigen gewaltigen Geschehens, dem ich nicht widerstehen konnte? 

Mit letzter Geistesanstrengung versuchte ich, einen klaren Gedanken zu fassen, mir auf die Natur der Erscheinung einen Reim zu machen, mich dem lockenden Sog der fremdartigen und gleichzeitig so nah und vertraut wirkenden Beschwörung zu entziehen. Denn nichts anders war es: eine Beschwörung, ein Ritual, das meine mentalen Abwehrkräfte untergraben und mich zum willenlosen Werkzeug des merkwürdig freundlichen kleinen Zeitreisenden machen sollte. Ich suchte Blickkontakt zu meinem Hund und gewahrte mit Erschrecken, dass es nicht mehr derselbe Vierbeiner war, den ich seit sechs Jahren an meiner Seite wusste. Ein fremder, deutlich größerer Canine schaue mich an, ebenso verdutzt über die Situation wie ich selbst. 

Aus irgendeinem Grund brach dieser Moment den Bann, dem ich mich ausgeliefert fühlte. Mein Hund (war es denn überhaupt mein Hund?!) begann zu bellen, die Erscheinungen lösten sich auf wie Frühnebel, wenn die Sonne aufsteigt und plötzlich standen Hund – jetzt wieder ganz der alte, also der RICHTIGE – und ich wieder auf dem uns vertrauten Parkweg. 

Begegnung im Park

Heute zum ersten Mal einen der „Besucher“ gesehen, als ich die übliche Parkrunde mit dem Hund ging. Der Extraterrestrier schien überraschter zu sein als ich und verschwand nach einigen Sekunden fassungslosen Rundumblickens schnell wieder ins Innere seines Raumschiffes. War sein Verhalten auf das aufgeregte Bellen meines Hundes zurückzuführen oder hatte es tiefere, gar fundamental-eschatologische Gründe?

Ich werde es nie erfahren, denn kurz darauf hob das merkwürdige Raumschiff ab und verschwand in einem Lichtblitz im herbstlich-grauen Nieselregen. Als Hund und ich nach Hause gingen, fragten wir uns beide, ob das Geschehen, dessen Zeugen wir soeben wurden, tatsächlich stattgefunden hatte oder eine Auswirkung der Übernächtigung (bei mir) bzw. des neuen Nassfutters (beim Hund) gewesen war.

Parkspaziergang II

Temporale Divergenzen als Parkspaziergangskonstante: Endzeitphänomen?

Auf meinen Parkspaziergängen mit dem Hund nehmen die Erlebnisse bizarrer Realitätsverschiebungen zu. Heute kamen wir durch dieselbe Parkanlage, an der sich kürzlich bereits die seltsamen Luftschiffe der Außerirdischen, vielleicht auch Zeitreisenden, am Himmel manifestiert hatten. Jetzt hatten dieselben Besucher eine feste Basis installiert, eine kugelförmige Struktur mit „Wurzel“ aus Kabeln, Rohren und Strängen rätselhafter Bestimmung, die sich von der Kugelstruktur ausgehend in den Parkboden gruben.

Eine Menge Menschen hatte sich um die Erscheinung versammelt. Von der Kugelstruktur gingen hochfrequenzielle neuro-aktive Strahlen aus, die mit der Menschenmenge zu kommunizieren schienen. Nach jeder Aussendung, jeder Impulsphase der Strahlung verfiel die Menge in Trance und begann, scheinbar sinnlose Satzfetzen vor sich hin zu murmeln.

Einige Individuen befanden sich im Besitz miniaturisiertes Sendeanlagen, die wohl die Aussendungen der Kugelstruktur aufzugreifen und multiplizieren sollten. So konnten anscheinend einzelne Spaziergänger zielgerichtet anvisiert werden, um ich sie in den Sogbann des außerirdischen Trancezustandes zu versetzen. Dies ahnend hatte ich allerdings für mich und den Hund unsere Anti-Brainwash-Goggles aus der Zeitkammer geholt, so dass alle Versuche, unsere Vorderen Hirnareale mit extraterrestrischer temporaler Divergenz zu infiltrieren, zum Scheitern verurteilt waren.

Parkspaziergang I

Schönes Wetter heute. Ich glaube ich drehe noch eine Runde im Park mit dem Hund.

Die Parkrunde mit dem Hund war ein wenig eigenartig. Alles schien irreal, wie im Traum. Spaziergänger wirkten konsterniert und wie von Sinnen, Autofahrer verloren die Kontrolle über ihre Fahrzeuge.  

Grund waren gigantischen Erscheinungen am Himmel, eine Art Luftschiffe, die wie schwebende Städte wirkten. Offensichtlich waren Aliens gekommen, um sich den dritten Planeten in der Endphase seiner Selbstzerlegung genauer anzuschauen. All dies bewog mich, den Spaziergang zu beenden und zu Hause so zu tun, als wäre die Welt in Ordnung und wie immer.