Parkspaziergang III

An eine schwer greifbare, merkwürdige Fluktuation im Raum-Zeit-Kontinuum, eine gewisse außerweltliche Stimmung auf den Parkspaziergängen mit dem Hund hatte ich mich in letzter Zeit bereits gewöhnt. Was jedoch heute in mein Bewusstsein drang, legte noch einmal eine Schippe drauf: 

Kaum hatten Hund und ich den uns gemeinhin gut bekannten Feldmühlepark betreten, verschob sich eine temporale Achse im Subraum und gab den Blick (?) frei auf etwas, das ich nur als schlagartige Veränderung des gesamten Bezugssystems von Wahrnehmung und Interpretationsmöglichkeiten bezeichnen kann – allerdings ohne dass der „Schlag“ auch nur im geringsten spürbar war. 

Auf einmal, aber als wenn es schon immer so gewesen wäre, hörte die Zeit auf zu existieren und ein lautloses Donnern, das das Universum bis hinunter auf die Quantenebene erbeben ließ, breitete sich in alle Richtungen aus. Wie aus dem Nichts erschienen extra-temporale Strukturen und geisterhafte Erscheinungen, deren Beschaffenheit und Realität unmöglich zu bestimmen war.  Ein geschnäbeltes Wesen – mangels anderer Erklärungsoptionen hielt ich es für einen Zeitreisenden aus einer Parallelrealität – richtet in einer mir unbekannten Sprache das Wort an mich.

Jedenfalls schien es mir so, denn er (ich hatte aus unbestimmten Ahnungen heraus den Eindruck, es wäre ein „Er“) richtete ein einem Laubbläser gleichendes Instrument auf mich, aus dem goldglänzende, unablässig fluktuierende schillernde Blasen quollen, die ich für Elemente einer unerhört subtilen submolekularen Kommunikation zu halten gezwungen war. Gezwungen, weil ich jedes Wort verstand und gleichzeitig nicht verstand.

Aber waren es überhaupt Worte? Honigsüß und hypnotisch klangen die Töne; meinem Gehirn deuchte es, als verstünde es zwar nicht den Sinn, aber erstaunlicherweise die Farbqualität des warmen, goldenen Vortrages des Wesens.

Allein, in meinem entrückten Zustand vermochte ich nicht zu sagen, ob dieses eigentümliche Wesen wirklich zu mir sprach. War es vielleicht nur der Herbstwind, der durch die Blätter wehte und raschelte? Der mir ohne Worte zuflüsterte und suggerierte, ich sei ein Teil eines einzigen gewaltigen Geschehens, dem ich nicht widerstehen konnte? 

Mit letzter Geistesanstrengung versuchte ich, einen klaren Gedanken zu fassen, mir auf die Natur der Erscheinung einen Reim zu machen, mich dem lockenden Sog der fremdartigen und gleichzeitig so nah und vertraut wirkenden Beschwörung zu entziehen. Denn nichts anders war es: eine Beschwörung, ein Ritual, das meine mentalen Abwehrkräfte untergraben und mich zum willenlosen Werkzeug des merkwürdig freundlichen kleinen Zeitreisenden machen sollte. Ich suchte Blickkontakt zu meinem Hund und gewahrte mit Erschrecken, dass es nicht mehr derselbe Vierbeiner war, den ich seit sechs Jahren an meiner Seite wusste. Ein fremder, deutlich größerer Canine schaue mich an, ebenso verdutzt über die Situation wie ich selbst. 

Aus irgendeinem Grund brach dieser Moment den Bann, dem ich mich ausgeliefert fühlte. Mein Hund (war es denn überhaupt mein Hund?!) begann zu bellen, die Erscheinungen lösten sich auf wie Frühnebel, wenn die Sonne aufsteigt und plötzlich standen Hund – jetzt wieder ganz der alte, also der RICHTIGE – und ich wieder auf dem uns vertrauten Parkweg.