Über Trotzkismus und andere bürgerliche Ideologien anhand der Klassikerlektüre „Wie der Stahl gehärtet wurde“

Einige Passagen des Buches befassen sich mit dem Kampf der Partei und der jungen Sowjetunion gegen die innerparteiliche Opposition der Trotzkisten. Besonders in den Jahren nach 1924, nach dem Tod Lenins, versuchte die von Trotzki (später im Bunde mit Sinowjew und Kamenew) geführte Opposition in einem erbitterten Machtkampf, die Partei zu übernehmen und die begonnen Maßnahmen des sozialistischen Aufbaus rückgängig zu machen oder zu verlangsamen.

Ihre Begründung: es sei zu früh dafür, das Volk wäre noch nicht reif, der Sozialismus könnte nicht ohne die Weltrevolution – die ausgeblieben war – errichtet werden, die Bolschewiki würden eine Parteidiktatur des Bürokratismus und der Willkür ausüben. Letzteres bezog sich auf die Parteidisziplin der Kommunistischen Partei, die die Mitglieder darauf festlegte, einmal gefasste Beschlüsse gemeinsam zu tragen und zu vertreten – das konnte und wollte die trotzkistische Minderheit nicht hinnehmen. Sie sah sich in allem der Parteimehrheit überlegen und war für die Durchsetzung ihrer Positionen nicht nur bereit, die Partei zu zerschlagen, sondern auch mit den Feinden der Sowjetunion zusammenzuarbeiten, um die ihrer Meinung nach falsch geführte und sich fehlentwickelnde Sowjetunion zu zerstören.

Das Buch zeigt, wieviel Raum – im Gegensatz zur Behauptung der bürgerlichen und trotzkistischen Propaganda – damals jahrelang dieser Opposition eingeräumt wurde, wie versucht wurde, in Gesprächen und mit Appellen an das gemeinsame Interesse die betreffenden Genossen einzubinden und von ihrem zerstörerischen, spalterischen Kurs abzubringen.

Es scheiterte letztlich daran, dass die Gegnerschaft der Trotzkisten unversöhnlich, ihr Hass auf die Mehrheitsbeschlüsse der Partei, auf Stalin so groß, ihre Selbstgerechtigkeit und Besserwisserei so immens waren, dass dem Sowjetstaat nichts übrig blieb, als sie zu isolieren, aus der Partei auszuschließen und sie schließlich wie die Feinde der Sowjetunion und des Sozialismus zu behandeln, die sie de facto waren.

Im Buch wird diese jahrelange Fehde der verschiedenen Positionen innerhalb der Kommunistischen Partei literarisch angerissen und verarbeitet. Die heute zugänglichen Dokumente belegen, dass die Fraktionskämpfe erstens tatsächlich vor allem eine Auseinandersetzung war, die in Diskussionen, Plenen und Versammlungen geführt wurde.

Das änderte sich zweitens erst, als die „Opposition“ zu einer wurde, die nicht nur eine Minderheitsmeinung über den Kurs der sozialistischen Entwicklung im ersten Arbeiter- und Bauernstaat der Welt vertrat, sondern zu einer wurde, die die Existenz dieses Staates beseitigen wollte und zu Terrorismus und Sabotage griff. Dann erst kamen Gerichte und Tribunale ins Spiel und gewährleisteten durch mitunter scharfe Maßnahmen und harte Urteile (darunter auch etliche „ungerechte“, unbegründete, unfundierte) den ungestörten Aufbau des „Sozialismus einem Lande“.

Über die Schörfe und die Hörte dieses Vorgehens gegen eine tödliche Gefahr für die gerade erst unter ungeheuren Opfern gegründete Sowjetunion haben bürgerliche Gemüter ein eindeutiges Urteil parat: „Furchtbar! Entsetzliche Diktatur! Schauprozesse! Unrechtsurteile!“ wissen sie Bescheid.

Nie haben sie je ein ähnliches Verdikt parat für die alte Ordnung der Sklaverei, der Leibeigenschaft, der Ausbeutung bis aufs Blut, des Hungers und der Kriege, die den Völkern von ihren kapitalistischen und feudalen Herren aufgezwungen wurde (und heute wieder aufgezwungen wird).

Aber den ersten Versuch der Abschaffung dieser Verhältnisse, der zwangsläufig nicht mit irgendeinem marxistischen Zauberstab eine ideale kommunistische Gesellschaft aus dem Traumbuch des Bürgersozialisten sein konnte; der von Anfang an der Todfeindschaft und der gewaltsamen Bekämpfung durch die gesamte alte Welt ausgesetzt war; der einen Kampf auf Leben und Tod zu führen hatte gegen ganze Armeen von äußeren und inneren Feinden – DIESEN Versuch messen sie an den komfortabel zarten Verhältnissen ihrer gesicherten Mittelschichtsexistenz in den etablierten kapitalistischen Demokratien des späten 20. oder beginnenden 21. Jahrhunderts.

The quintessential Ostrowski


“Der Kampf für die Befreiung der Menschheit” ist immer noch nötig; manche meiner Freunde würden sagen: er wird für immer nötig sein, weil er eine Utopie ist und eine freie Menschheit unmöglich ist. Wegen der menschlichen Natur, die bekanntlich für alles herhalten muss, was kapitalistische Ausbeutung und imperialistischer Krieg anrichten.“

Früher hätte ich das unterschrieben; heute denke ich, dass es u.a. das Verdienst und Vermächtnis von Marx, Engels, Lenin und anderen ist, aufgezeigt zu haben, dass der Kampf für die Befreiung der Menschheit keine Utopie ist, sondern praktische Notwendigkeit.

Kommt einem das bekannt vor?

Ein reaktionäres west-ukrainisches Regime, für zahlreiche Verbrechen verantwortlich, füllt die Reihen seiner Soldateska mit Zwangsrekutierten, die gar nicht kämpfen wollen, um sie in einen Krieg zu schicken, in dem ausländische Interventionsmächte und ukrainische Nationalisten für einen ukrainischen Staat kämpfen, der sich durch Fremdenhass und Antikommunismus auszeichnet.

Die geschilderten Vorkommnisse ereigneten sich vor ca. hundert Jahren, in den Zeiten des Bürgerkrieges in der Sowjetunion. Simon Petljura war der Anführer der „Ukrainischen Volksrepublik“, die von 1917 – 20 als nur von den „Mittelmächten“ (Deutschland, Österreich, Ungarn und noch ein paar) anerkanntes antikommunistisches Projekt existierte und die gegen die ukrainische Sowjetrepublik (Sitz in Charkow) Krieg führte.

Klar, das der Nationalistenführer Petljura, dessen Truppen zahlreiche Massaker und anti-jüdische Pogrome verübten, in der heutigen Ukraine als Gründungsvater ukrainischer Eigenstaatlichkeit verehrt wird.

Aus: “Wie der Stahl gehärtet wurde“ von Nikolai Ostrowski