Geschichten, die das Leben schrieb: „Wir wollen doch nur in Ruhe leben“

Beim Treppenhaustratsch erfährt man manchmal höchst interessante und aktuelle Nachrichten, was die Wohnungssituation betrifft. Die Nachbarin aus dem ersten Stock spricht mich an und fragt: „Na, hat er schon mit euch geredet?“. 

Ich weiß von nichts, noch nicht einmal, wen sie mit „Er“ meinen könnte. 

Wie sich sich im weiteren Verlauf des Gespräches herausstellt, meint sie damit unseren Vermieter und Hauseigentümer. Dieser ist ein pensionierter Mitarbeiter einer bundesweit tätigen Immobilienmaklerkette und hat es in dieser Eigenschaft zu einigem Wohlstand und etlichen Immobilien und Liegenschaften gebracht . Die Nachbarin berichtet mir, dass er nun das Haus, in dem wir wohnen, einen etwa 120 Jahre alten Altbau in bester Oberkasseler Lage mit vier Wohnungen, zu verkaufen gedenkt und zu diesem Zwecke ihr bereits zweimal Interessenten beziehungsweise „Investoren“ durch die Bude geschickt hat.

Mir fällt es wie Schuppen aus den Haaren: ja klar, der Mann hat das Haus 2004 erworben. Nach zehn Jahren läuft irgendeine gesetzliche Veräußerungseinschränkung ab und er kann seine Immobilie auf dem Wohnungsmarkt zum Höchstpreis absetzen. Oder dies zumindest versuchen, denn auch der Wohnungsmarkt – jedenfalls, was den Kaufmarkt betrifft – liegt ziemlich danieder: Wohneigentumserwerb wird durch Inflation, hohe Material- und Baukosten, lange Lieferzeiten, Wirtschaftskrise und schlechte Kreditbedingungen immer schwieriger und die potentiellen Immobilienbesitzer drängen auf den Mietmarkt, der dadurch noch enger und härter umkämpft wird.

Ich erfahre von der Nachbarin, dass der Eigentümer alleine für ihre Vierzimmerwohnung eine Million Euro haben möchte. Es ist denkbar, dass der geschickte Reichtumsvermehrer aus der Klasse der Bezieher leistungsloser  Einkommen seinen Besitz scheibchenweise, sprich stockwerkweise, verscherbeln möchte. Die Nachbarin ist besorgt, einigermaßen gestresst und macht sich jetzt schon Gedanken, wie sie für ihre Familie – sie, ihr Mann und zwei Teenagertöchter – unter diesen Umständen und in diesem Viertel eine neue Bleibe finden kann. Sie und ihre Familie sind erst vor drei Jahren – nach einer Eigenbedarfskündigung ihrer vorigen Wohnung in einem Haus um die Ecke – in das Gebäude eingezogen und haben bei Einzug die gesamte Wohnung für viel Geld komplett renoviert. Aufgrund ihrer kurzen Mietdauer sind sie diejenigen Mieter, denen man am leichtesten kündigen kann.

„Immer dieser Stress! jetzt waren wir so froh, dass wir diese Wohnung gefunden hatten und jetzt das schon wieder. Wir wollen doch nur in Ruhe leben können.“ seufzt sie. Ich tröste sie halbherzig mit der Bemerkung, dass bei der derzeitigen Marktlage noch lange nicht gesagt ist, dass der Eigentümer Käufer oder Investoren findet, die seine Preise bezahlen, und dass, selbst wenn er welche findet, die Angelegenheit sich gut und gerne über das gesamte nächste Jahr hinziehen kann. 

Oben in unserer Dachbude angekommen, berichte ich der Liebsten von diesen neuen Entwicklungen. Meine praktische und bodenständige Gattin verkündet sofort, dass sie ab jetzt nicht nur gelegentlich, sondern täglich den Immobilienmarkt sondieren wird, schon um dem Vermieterspekulanten ein Schnippen zu schlagen: „Wenn wir hier ausziehen und der das verkaufen will, findet er keine Mieter mehr für die Wohnung hier. Das gönn’ ich dem!“ 

Des Weiteren kündigt sie an, bei ImmoScout die „Miete+“-Option zu aktivieren, einen Bezahlservice, der mindestens 12,99 € im Monat kostet und einem minimale Konkurrenzvorteile bei dem Hauen und Stechen um vermieteten Wohnraum bringen soll. Meine marktwirtschaftserprobte Gattin ist bereit, alle Register zu ziehen, um uns am Mietmarkt einen Startvorteil zu verschaffen, da sie uns in einem strategischen Nachteil sieht: „Wir haben einen Hund – das macht es schon mal schwieriger. Wir müssen uns JETZT kümmern und nicht erst, wenn wir die Pistole auf die Brust gesetzt kriegen!“

Ebenfalls wird strenge finanzielle Disziplin angekündigt, um die Kosten eines Umzuges stemmen zu können: „Das ist erst recht ein Grund, die Moppen zusammen zu halten und schön das Sparkonto aufzufüllen!“. Ich nicke verständig und grunze Zustimmung, während sich vor meinem inneren Auge die zunehmende Begrenzung meines Spielraums für allerlei Internetbestellungen entfaltet.

Ich selber bin aufgrund von Lebenserfahrung und dank meiner Einsicht in die Mechanismen einer kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft wenig beeindruckt und erschüttert, zumal ich in einer fast zwei Jahrzehnte währenden Phase meines Lebens etwa alle zwei Jahre umgezogen bin. Tatsächlich sind die sieben Jahre hier in diesem Haus in Düsseldorf die längste Periode sesshafter Verwurzelung, die ich seit Jahrzehnten genießen konnte. Einen Umzug würde ich zwar lieber vermeiden, erschrecken kann er mich aber nicht.

Am nächsten Morgen steht die Liebste im Badezimmer, wo uns in der Vorwoche angebrachte neue Grohe-Armaturen (Kosten, mit Handwerker-Lohn, knapp fünfhundert Euro) aufs erfreulichste anstrahlen und sagt „Jetzt ärgere ich mich, dass wir die Armaturen gekauft haben. Hätte ich gewusst, dass wir hier bald ausziehen müssen, hätte ich das gelassen..“ 

Besagte Armaturen mussten ausgetauscht werden, da die alten komplett verkalkt waren und keinen normalen Wasserdurchlauf mehr zuließen. Ich selber hätte die Rechnungen umstandslos an den Hausbesitzer weitergereicht, aber die Frau, besorgt um das gute Verhältnis zum Vermieter, bestand darauf, die Rechnung selber zu übernehmen. Ich erspare mir ein „Hättest ja gleich auf mich hören können“, und denke über den Satz der Nachbarin nach, der mich am meisten beeindruckt hat und der mir typisch scheint für Stimmung und Lebensgefühl der lohnarbeitenden Bevölkerung: „Wir wollen doch nur in Ruhe leben!“

Dass ein solches ruhiges Leben im Kapitalismus nicht zu haben ist, das verstehen sie alle nicht. Stattdessen nehmen Sie die Unruhe, die ihr Dienst an fremdem Reichtum unweigerlich und zwangsläufig in ihr Leben bringt, als den natürlichen Lebensumstand hin, dem sie nun einmal ausgesetzt sind und an dem niemand etwas ändern kann. Und das ist die Lüge, in der diese politische Ökonomie die abhängig Beschäftigten hält

Parkspaziergang VI: Universale Schwingungen und sprechende Frösche geben Botschaften ab und Rätsel auf

Eine Weile hatten die Erscheinungen uns in Ruhe gelassen und unsere Parkspaziergänge verliefen in vertrauter, fast langweiliger Ereignislosigkeit. Wir hatten uns gerade daran gewöhnt, als wir heute eines Besseren belehrt wurden – natürlich wieder im Feldmühlepark, der sich an diesem grauen Novembermorgen ruhig und leer seiner Parknatur hingab.

Hund und ich trotteten die vertrauten Wege entlang, jeder mit seinen eigenen Gedanken oder Gefühlen beschäftigt, als die bekannte, aber jedesmal wieder überraschende Verwandlung einsetzte. Ein Gefühl, als krieche ein weicher Strom flüssigen Goldes die Wirbelsäule empor und breite sich im Kopf aus, erfasste uns. Oder wenigstens mich, denn für den Hund kann ich nicht sprechen. Auch er schien aber die Veränderung im Raumzeitgefüge zu spüren. 

Noch ehe diese veränderte Wahrnehmung ganz den kognitiven Apparat des Gehirnes erreicht hatten, manifestierten sich von allen Seiten Phänomene, die die Fremdartigkeit der Situation unterstrichen und noch einmal zu ihrer merkwürdigen Nicht-Zeitlichkeit beitrugen.

Ein einzelnes Raumschiff (nach wie vor halte ich die „Besucher“ für Zeitreisende, auch wenn ich mir beim besten Willen nicht zu erklären vermag, wie ich darauf komme) schwebte bewegungslos über der Freifläche zwischen den Bäumen. Blasengleich stiegen golden schimmernde, kleine Lichter aus ihm auf und verschwanden im Novemberhimmel. Sie verbreiteten eine Atmosphäre stiller Zufriedenheit rings um die schwebende Scheibe herum; man hatte das Gefühl, im Leben nichts mehr zu brauchen außer diesen emporsteigenden und sich in etwa fünfzehn oder zwanzig Meter Höhe auflösenden Lichtpünktchen zuzusehen. Dabei wirkten sie auf ergreifende Weise lebendig, so als tanzten sie in ihrem Aufstieg einen Reigen, der eine Botschaft beinhaltete oder vermitteln sollte.

Der Gedanke, welche Botschaft das sein könnte, unterbrach die hypnotische Versenkung, in die mich der Anblick versetzt hatte. Gleichzeitig hörte ich ein mechanisches Geräusch wie von metallischen Schritten auf weichem Untergrund und erblickte eine Art Roboter, der ebenfalls so etwas wie ein kommunikatives Bewegungsmuster zeigte, indem er mit seinen drei Beinen zierliche, tänzelnde Schrittfolgen ausführte. Wieder durchdrang mich das starke Empfinden, dass mir eine Botschaft vermittelt werden sollte, doch ich kam beim besten Willen nicht darauf, welche. Ja, je mehr ich darüber nachgrübelte, in umso weitere Fernen schien eine Antwort zu rücken.

Der tänzelnde Roboter – wenn es denn einer war – richtete aus einem seiner „Augen“ (so nannte ich innerlich die scheinwerferartigen Kugeln, die mit metallenen Armen an seiner ebenfalls kugeligen Gestalt befestigt waren) einen Energiestrahl auf mich. Der bläuliche Strahl war von der Art, die den Geist in das namenlose Entzücken versetzen, das sich angesichts tiefster Erkenntnisse oder höchster Offenbarungen einstellt – nur war mir ja gar nichts offenbart worden, und an Einsicht gebrach es mir eher, denn noch immer war ich mit der Frage beschäftigt, ob in dem Ablauf der Geschehnisse, besonders aber in dem Tanz der Lichtpünktchen und des Roboters, eine Botschaft enthalten war. Und wenn ja, welche?

Inzwischen allerdings beanspruchte ein neues Phänomen meine Aufmerksamkeit: die Luft um uns herum, im gesamten Park und gefühlt ausgedehnt bis in die Unendlichkeit des grenzenlosen Universums, schien von unsichtbaren und doch wahrnehmbaren Vibrationen erfüllt. Es handelte sich meinem Eindruck nach um Schwingungen, die in einem pulsierenden Rhythmus nicht nur als eine natürliche Eigenschaft aller Dinge aus diesen zu kommen, sondern die Dinge selbst zu SEIN und die gesamte Existenz zu durchziehen schienen . Immer wieder bildeten sich andere, neue Muster, überlagerten sich, verschwanden wieder und breiteten sich wie eine unendlich abwechslungsreiche, aber gleichmäßige Melodie überall in und außerhalb aller sichtbaren und unsichtbaren Erscheinungen aus.

War dies etwa die Botschaft des „Tanzes“, den mir die Lichtpünktchen und der Roboter vortanzten? Dass alles ein endloser Reigen pulsierender Energie sei, die sich selbst genügt und gleichzeitig immer dasselbe und in jedem Moment anders ist? Aber was wäre daran denn so besonders? Was sollte eine solche Botschaft bewirken? Ich wurde immer noch nicht schlau und sprach laut – mehr zu dem Hund und mir selbst als zu irgendjemanden, denn das der Roboter mich verstehen würde, glaubte ich nicht – die Worte aus: „Ja und? Was zum Teufel wollt ihr mir damit sagen??“

Daraufhin machte es direkt hinter mir „Quak!“, und als ich mich umdrehte, stand ein Frosch in gelbem Friesennerz und Südwester-Hut vor mir und schaute mich aus intelligenten Augen und etwas herausfordernd an. Diese Wendung der Dinge war jetzt allerdings so absurd und so unerwartet, dass ich grinsen musste. „Hast du eben ‚Quak‘ gesagt?“, fragte ich den Frosch, nicht sicher, ob ich mit einer Halluzination oder einem realen Phänomen redete (aber was war schon „real“ in diesem extratemporalen mentalen Ausnahmezustand, in den nicht nur ich, sondern der ganze Park versetzt worden war?).

Der Frosch antwortete nicht, deutete aber mit seinen kurzen Ärmchen auf die Lichtpunkte und die wellenförmigen pulsierenden Schwingungen, aus denen die Luft, das Universum und alles darin zu bestehen schienen – und war verschwunden. Und mit ihm das ganze Spektakel, das mich und den Hund eine nicht zu definierende Zeitspanne lang (wenn man in diesem Kontext überhaupt von Zeit reden kann und will) umgeben hatte.

Der Hund hob das Bein und pisste dorthin, wo eben noch der Frosch (oder was immer für ein Wesen es war) gestanden hatte. Alles war wieder normal. 

Erbarmungslose Jagd nach Spaß und Vergnügen ist angesagt am linken Rheinufer, denn es ist RHEINKIRMES!!

Eine ununterbrochene Kakophonie von hammerschlagartigen Klangkaskaden, die bei unter Zwanzigjährigen als Musik gelten, quillt einem schon entgegen, bevor man auch nur der Kirmes ansichtig wird.

Durch die Seiten- und Nebenstraßen Oberkassels, in denen sonst gut betuchte, dezente Menschen zu sehen sind, die ihre SUVs parken und mit ihren Hunden flanieren, strömen Heerscharen von Feierwilligen dem Ort der erhofften Vergnügungen entgegen. Gelegentlich Familien mit ein bis mehreren Kindern, die hier sicher viel Geld loswerden(eine Bratwurst kostet 5,00 Euro), in der Regel aber Gruppen von Jugendlichen mit erkennbaren Migrationshintergründen.

Die Invasion des Neusser, Duisburger, Krefelder und Mönchengladbacher Prekariats spiegelt sich wieder in der endlosen Schlange von KfZs, die auch um 21:00 noch die Luegallee in Richtung Rheinufer rollt. Kurz vor der Rheinkirmes hatte die Stadt Düsseldorf die lobenswerte Idee, die zweite Fahrspur der Luegallee zur Fahrradspur zu machen – verkehrstechnisch das einzig richtige, für die Pkw-Benutzer aber ein Nadelöhr, das den Weg vom Belsen-Platz bis zur Oberkasseler Brücke im Berufsverkehr und jetzt zur Kirmes zu einem Stop-and-Go-Abenteuer macht.

Wenn man sich das Spektakel nur von außen anschaut und sich die nervtötende adoleszente Umpf-Dumpf-Musik wegdenkt, ist die Kirmes ein schöner, glitzernder, flimmernder Anblick. Das findet auch der Hund, der sich neugierig und erstaunt alles anschaut und weder vom Lärm noch von den gleitenden, blinkenden, sich bewegenden Geräten gestört wirkt.

Seine Menschen allerdings sind froh, wenn sie der Vergnügungszone entronnen und wieder im ruhigen, schattigen Park sind.

Schadenfreudiger Fun Fact der ganzen Angelegenheit: während der neun oder zehn Tage Rheinkirmes leiden ausgerechnet die Anwohner in der absolut edelsten und teuersten Wohnlage Düsseldorfs, nämlich die Bewohner der Häuser am noblen Kaiser-Wilhelm-Ring, am meisten unter dem lärmenden Treiben. Es sei ihnen von Herzen gegönnt. Aber wahrscheinlich haben sich etliche von ihnen ohnehin in Fünfsterne-Hotels in der rechtsrheinischen Innenstadt untergebracht oder sind gleich zu einem Kurzurlaub nach Bali oder Hawaii aufgebrochen, um die Kirmeszeit zu umgehen.

Die Rheinkirmes naht!

Am Freitag beginnt das größte Volksfest in NRW, ausgerechnet quasi vor meiner Haustür. Der lokale Einzelhandel greift das Thema ebenfalls gerne auf; dieser Optiker hat den Vogel abgeschossen und eine ganze Playmobil-Kirmeslandschaft aufgebaut.

Das beste: die eine Figur im Klohäuschen ist in kotzender Haltung dargestellt – eine ziemlich realistische Anspielung auf den zehn Tage währenden Ausnahmezustand, in dem unsere beschauliche linksrheinischen Idylle von den asozialen Horden aus den Unterschichtsstadtteilen oder gar den Prekariatstrollen aus Mönchengladbach, Duisburg und Krefeld heimgesucht wird.

Endgeräte-Kühlung in der Dachwohnung

Es ist wieder soweit: das Endgerät muß im Kühlschrank runtergekühlt werden. Leider gibt’s keinen Kühlschrank, in den ICH reinpasse. Und zu irgendeiner Form von Klimaanlage (und sei es ein Ventilator) habe ich es auch noch nicht gebracht. Obwohl ich mir seit ungelogen VIER JAHREN jedesmal sage, dass für den nächsten Sommer aber auf jeden Fall irgendeine Maßnahme ergriffen werden muss, um die Dachwohnung bei plus 30 Grad Außentemperaturen irgendwie zu einem bewohnbaren Obdach zu machen.