Das größte Volksfest in NRW direkt vor meiner Haustür. Heerscharen von vergnügungswütigen Ruhrpotteinwohnern, die zu allem entschlossen sind, um ihre tiefergelegte, übermotorisierte Karre irgendwo in Fusswegnähe der Rheinkirmes abzustellen (ÖPNV ist für einen gewissen sozialen Cluster tabu bzw. ihm unbekannt), sind schon in den Startlöchern.
Zum Glück sperrt die Düsseldorfer Stadtverwaltung unser elitäres Viertel weiträumig ab, so dass die Oberkasseler zumindest parkplatzmässig noch mehr unter sich bleiben als gewohnt.
Die babarischen Horden der Duisburger, Krefelder und Bchumer Unterschichten werden uns dennoch heimsuchen, die Straßen vermüllen und uns nachts keine Ruhe gönnen.
Eine ununterbrochene Kakophonie von hammerschlagartigen Klangkaskaden, die bei unter Zwanzigjährigen als Musik gelten, quillt einem schon entgegen, bevor man auch nur der Kirmes ansichtig wird.
Durch die Seiten- und Nebenstraßen Oberkassels, in denen sonst gut betuchte, dezente Menschen zu sehen sind, die ihre SUVs parken und mit ihren Hunden flanieren, strömen Heerscharen von Feierwilligen dem Ort der erhofften Vergnügungen entgegen. Gelegentlich Familien mit ein bis mehreren Kindern, die hier sicher viel Geld loswerden(eine Bratwurst kostet 5,00 Euro), in der Regel aber Gruppen von Jugendlichen mit erkennbaren Migrationshintergründen.
Die Invasion des Neusser, Duisburger, Krefelder und Mönchengladbacher Prekariats spiegelt sich wieder in der endlosen Schlange von KfZs, die auch um 21:00 noch die Luegallee in Richtung Rheinufer rollt. Kurz vor der Rheinkirmes hatte die Stadt Düsseldorf die lobenswerte Idee, die zweite Fahrspur der Luegallee zur Fahrradspur zu machen – verkehrstechnisch das einzig richtige, für die Pkw-Benutzer aber ein Nadelöhr, das den Weg vom Belsen-Platz bis zur Oberkasseler Brücke im Berufsverkehr und jetzt zur Kirmes zu einem Stop-and-Go-Abenteuer macht.
Wenn man sich das Spektakel nur von außen anschaut und sich die nervtötende adoleszente Umpf-Dumpf-Musik wegdenkt, ist die Kirmes ein schöner, glitzernder, flimmernder Anblick. Das findet auch der Hund, der sich neugierig und erstaunt alles anschaut und weder vom Lärm noch von den gleitenden, blinkenden, sich bewegenden Geräten gestört wirkt.
Seine Menschen allerdings sind froh, wenn sie der Vergnügungszone entronnen und wieder im ruhigen, schattigen Park sind.
Schadenfreudiger Fun Fact der ganzen Angelegenheit: während der neun oder zehn Tage Rheinkirmes leiden ausgerechnet die Anwohner in der absolut edelsten und teuersten Wohnlage Düsseldorfs, nämlich die Bewohner der Häuser am noblen Kaiser-Wilhelm-Ring, am meisten unter dem lärmenden Treiben. Es sei ihnen von Herzen gegönnt. Aber wahrscheinlich haben sich etliche von ihnen ohnehin in Fünfsterne-Hotels in der rechtsrheinischen Innenstadt untergebracht oder sind gleich zu einem Kurzurlaub nach Bali oder Hawaii aufgebrochen, um die Kirmeszeit zu umgehen.
Am Freitag beginnt das größte Volksfest in NRW, ausgerechnet quasi vor meiner Haustür. Der lokale Einzelhandel greift das Thema ebenfalls gerne auf; dieser Optiker hat den Vogel abgeschossen und eine ganze Playmobil-Kirmeslandschaft aufgebaut.
Das beste: die eine Figur im Klohäuschen ist in kotzender Haltung dargestellt – eine ziemlich realistische Anspielung auf den zehn Tage währenden Ausnahmezustand, in dem unsere beschauliche linksrheinischen Idylle von den asozialen Horden aus den Unterschichtsstadtteilen oder gar den Prekariatstrollen aus Mönchengladbach, Duisburg und Krefeld heimgesucht wird.