Die Indifferenz, die Ignoranz: wie vor neunzig Jahren?

Ein Facebook-Freund schreibt:

Die Verhältnisse ändern sich in einer Geschwindigkeit, die einem kaum Luft lassen. Ähnlich muss es einigen politischen Beobachtern Anfang 1933 gegangen sein. Die Bürger- und Freiheitsrechte werden stetig eingeschränkt. Meinungsfreiheit zählt nicht mehr. Wer gegen den Strom schwimmt wird arbeitslos gemacht und geächtet. Enttäuschend ist, dass es kaum Intellektuelle gibt, die sich gegen diese Bewegung des gedankenlosen Niedermachens wehren und aufstehen. (Ein Hinweis darauf, dass Intellekt und Intelligenz oft getrennte Wege gehen.) Wenige kommen auf die Idee, dass die Mechanismen, der heute die eine Gruppe zum Schweigen bringen soll, schon morgen gegen einen selbst gewendet werden kann. Am Ende werden die Anständigen wieder ins Exil gehen müssen.

Facebook

Für mich das erstaunlichsten ist die Indifferenz der Leute. Bis auf die paar Freunde auf Facebook oder im echten Leben, die sehen was gerade passiert, zeigen die Leute in meinem persönlichen Umfeld (Arbeit, Familie, Bekannte) eine selige Ignoranz, die an Realitätsverweigerung grenzt – so wie Kinder, die die Hände vor die Augen halten und dann denken, man sieht sie nicht mehr.

So als könnte das Leben im Großen und Ganzen so weitergehen wie bisher, auch wenn man öfters über die Teuerung meckert und sich über die Unfähigkeit und Dummheit der Baerbocks, Habecks und Scholzens lustig macht.

Die tatsächlichen drastischen Umverteilungen des gesellschaftlichen Reichtums durch den Krieg, an dem die Bundesregierung beteiligt ist, die weitreichenden Einschränkungen von Bürgerrechten wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit usw, die schrittweise Verwandlung der BRD von der demokratischen zu einer wenn nicht faschistischen, dann aber autoritären Form des Kapitalstandortes scheint oder möchte niemand bemerken.

In meinem eigenen Fall der strafrechtlichen Verfolgung wegen angeblicher „Störung des öffentlichen Friedens“ durch „Befürwortung des russischen Angriffskrieges“ höre ich gelegentlich Sätze wie „Du musst ja auch nicht immer alles laut sagen, was du so denkst!“ oder „Warum legst du dich auch immer mit dem Gesetz an, du hättest ja auch vorsichtiger sein können!“.

Es scheint insgesamt eine Stimmung der Verdrängung und des St. Florian-Prinzips zu herrschen: man hofft, dass man die Zeiten irgendwie ohne allzu großen Schaden übersteht und passt sich den neuen Bedingungen an – dazu gehört, dass man bei heiklen Themen die Klappe hält, ein niedriges Profil beibehält und nicht mit der verschärft nach Dissens Ausschau haltenden (und diesen sanktionierenden) Staatsmacht aneinander gerät.

Mir wird verständlicher, wie das gesellschaftliche Klima in den Dreißigerjahren war.