Ein Guter geht

Die Nachbarschaft trauert um Michael, den griechischen Betreiber der TRINKHALLE.

Der Krebs hat ihn dahingerafft, er war höchstens Mitte fünfzig. Michael hat sich um die trinkfreudige und zahlungskräftige Bewohnerschaft des Viertels verdient gemacht, indem er seinen Laden nach und nach zu einer hochkarätigen Weinhandlung ausbaute.

Sein Motto, ein Goethezitat, hing als Aufforderung an die Kundschaft im Fenster: „Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken“. Dabei war Michael höchst selten hinter dem Verkaufstresen zu sehen; diese profane Aufgabe überließ er drei oder vier bezaubernden jungen Frauen, die ihm über die Jahre als Mitarbeiterinnen treu blieben – offensichtlich zahlte er gut und war auch sonst ein freundlicher Geselle. Jedenfalls war er eine Institution in Oberkassel. Oft saß er auf den Stufen des Seiteneingangs und hielt Pläuschchen mit den Vorbeikommenden.

Jetzt fragen sich bange Anwohner, wer die elementar wichtige Funktion Michaels bei der Drogenversorgung des Stadtteils übernimmt. Zunächst aber wird ausgiebig getrauert; jeden Tag wächst das Blumen- und Kerzenarrangement vor den untypischerweise heruntergelassenen Rollläden.