Umwälzungen

Eben die hochkarätig besetzte Runde bei Garland Nixon gehört (Andrei Martyanov und Scott Ritter zu Gast). Wie immer kompakte, absolut solide Expertise zum Verlauf des NATO-Krieges gegen Russland.

Was bei mir hängen geblieben ist, sind diesmal die Einschätzungen der beiden Gäste zur gerade stattfindenden Umwälzung der Geopolitik, die mit Präsident Xi‘s Besuch in Moskau einen Fokuspunkt der Unumkehrbarkeit erreicht hat.

Martyanov vergleicht die derzeitige tektonische Verschiebung in der Geopolitik mit derjenigen bei der Auflösung der Sowjetunion vor 30 Jahren, die im Vergleich zu den Veränderungen, die sich jetzt vollziehen, vergleichsweise gering ausfiel. Machtverschiebungen wie die jetzige hin zu einer multipolaren Welt passieren in seiner Sicht nicht (wie der chinesische Präsident in zurückhaltender Bescheidenheit sagt) einmal in hundert Jahren, sondern haben laut Martyanov Auswirkungen auf Geschichte und Machtverhältnisse der Welt, wie sie vielleicht alle 300-500 Jahre vorkommen.

Scott Ritter stellt ähnliche Überlegungen an. Er vergleicht die Entwicklung, deren Zeuge wir heute sind, aus US-amerikanischer Sicht mit dem Fall Roms und stellt sogar noch die Zeitraumangabe Martyanovs in Frage. Die Machtverschiebung, die jetzt stattfindet, ist ein Ereignis, wie es einmal in tausend Jahren passiert, meint Ritter.

Beide scheinen ausdrücken zu wollen, dass die globale Dimension der von Russland und China angeführten Multipolarität bereits dabei ist, die globale Herrschaft des westlichen Imperiums zu beenden und den Schwerpunkt des Weltgeschehens für die nächsten Jahrhunderte auf die Welt außerhalb des NATO-Blocks und seiner Vasallen zu verlagern.

Und das scheint mir eine sehr gute Nachricht zu sein. Als europäischer Insasse des wertewestlichen Freiheitsstalles muß man sich selber immer wieder daran erinnern, dass man in einem Kerngebiet einer im Höchstmaß propagandisierten Sphäre lebt.

Eine Sphäre, in der nach wie vor (angesichts der Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens immer erbitterter und verzweifelter) die sich auflösende Kontrolle des US-Imperiums über die globalen Verhältnisse verteidigt wird. Der Rest der Welt hat sich bereits (oder ist gerade dabei) umorientiert auf die Führungsnationen der neuen multipolaren Welt, die Frieden, Prosperität und vor allem Gleichberechtigung aller Nationen und Staaten verspricht.