Deutscher Frühling: Erinnerung an die Generation meiner Großeltern

Es ist Frühling, und alle Leute sind draußen, gut gelaunt, luftig gekleidet, freundlich gestimmt. Alles wirkt sonnig, beschwingt, erleichtert über die milden Temperaturen. Jederman ist dankbar, dass nach dem Winter, der kein Winter war, jetzt ein paar Frühlingstage zu spüren sind.

Die wenigen Bild- und Tonfetzen aus Staats- und Konzernmedien, die ich mitbekomme, zeichnen ein anderes Bild: Angst wird geschürt, Russenhass wird gepredigt, eine aggressive Kriegsvorbereitung auf allen gesellschaftlichen Ebenen findet statt. Ganze Gebirge von Lügen und Hetze rollen und prasseln aus allen Kanälen auf die Bevölkerung nieder.

Ich verstehe jetzt endlich, wie sich meine Großeltern gefühlt haben müssen, als sie in den 1930er und 1940er Jahren sich plötzlich in einem Land wiederfanden, dessen Regierung mit immer groteskeren Lügen auf einem Krieg zusteuerte.

Ein Land, dessen mentales Klima von ständig verschärften Zensurmaßnahmen und einer sich kontinuierlich steigernden hysterischen Feindbiidprojektion gekennzeichnet war. Ein Land, in dem die herrschenden Eliten erfolgreich die ideologische Kriegsertüchtigung des gesellschaftlichen Diskurses hergestellt hatten.

Ein Land schließlich, dessen Bevölkerung diesem Kurs entweder passiv folgte, begeistert zustimmte oder, sofern sie damit nicht einverstanden war, sich in die innere oder äußere Immigration flüchtete.

Erwerbsarmut, Diebstahl, Zeitungsschlagzeilen: Alles in Butter in der Freien Welt

Bild so: „Armut immer schlimmer! Auch wer arbeitet ist arm!“

Express so: „Bettler immer schlimmer!“

Ich so: „Könnte das eine wohl mit dem anderen zu tun haben?“

Kapitalismus samt Insassen unisono:

„Nö, alles Schicksal, jeder seines Glückes Schmied, der Fleißige hat Erfolg, Leistung lohnt sich, Armut leider Naturgesetz wie Regen und Schnee.“