Geschichten die das Leben schrieb: History Channel oder Karnevalssitzung?

In der Mittagspause beliebt die Frau, sofern sie im Home-Office ist, gerne Fernsehen zu gucken.

Ich höre nur den Ton, sehe das Bild nicht und verstehe auch nicht, was da gesagt beziehungsweise geschrien wird.

Zunächst denke ich, sie hat irgendeinen History Channel angeschaltet, schaut sich eine Dokumentation über die Nazizeit an und irgendein Röhm, Hitler oder Göbbels schreit im Sportpalast herum. Aber nein, es ist ein heutiger Politiker: „Wer brüllt denn da rum?“, frage ich die Frau.

„Der Lindner“, entgegnet sie.

Jetzt höre ich eine halbe Minute hin und höre den neoliberalen Finanzminister irgendetwas salbadern über Leute, die für ihr Geld nicht arbeiten und deswegen aus Gründen der Gerechtigkeit bestraft werden müssen.

Ich bin mir fast sicher, dass er damit nicht die Couponschneider, Immobilienbesitzer und andere Bezieher leistungsloser Einkommen meint, sondern die armen Schweine, die von staatlichen Transferzahlungen leben müssen.

„Hört sich an wie Nazipropaganda, wenn man nicht den Inhalt, sondern nur den Tonfall anhört“, bemerke ich in Richtung Liebste.

„Nee“, antwortet sie, „das kommt mir mir vor wie ne Karnevalssitzung…“

Bauernproteste: Klarstellungen aus „der Politik“ über angemessene Formen des Protestes

Alles, was man im Vorfeld und im Zusammenhang mit den Bauernprotesten von den Interessenvertretern von Staat und Kapital hört, bestätigt die Äußerung von Joti Brar, Vorsitzende der CPGB-ML, über die sofortigen Dämonisierungskampagnen gegen jedweden Protest von Arbeiter und Bauern gegen die Verhältnisse, die Staat und Regierung einrichten:

„Wann immer ein Teil der Arbeiterklasse beginnt, sich zu bewegen und ein gewisses Bewusstsein dafür zu zeigen, dass die Dinge nicht in Ordnung sind, wird es immer eine große Verleumdungskampagne gegen diese Leute geben und einen sehr entschlossenen Versuch, sie vom Rest der Arbeiterklasse zu trennen, die zusieht und versucht herauszufinden, was das bedeutet und ob sie mit dem, was vor sich geht, einverstanden ist oder nicht.“

Der Journalist Gerd-Ewan Unger  schreibt treffend: „Was hier wiedermal ankommt, ist übrigens, Äußerungen von Wut und Unmut sind in Deutschland bitte in einer Form vorzubringen, die sicherstellt, dass sich nichts ändert.“

Die Panik auf Seiten der Verwalter der bürgerlichen Ordnung ist spürbar (selbst wenn davon auszugehen ist, dass die Protestierenden diese Ordnung gar nicht umstürzen wollen):

„Landwirte, Spediteure oder wer auch immer dürfen sich nicht instrumentalisieren lassen von Leuten und Gruppierungen, die den legitimen Protest missbrauchen, um das ganze System unseres Landes infrage zu stellen. Die Demokratie hat gewaltige Schwächen. Aber alles andere, was an ihre Stelle träte, würde erst recht zu Wohlstandsverlusten und ganz anderen Verteilungskonflikten führen“ 
(CDU-Chef Friedrich Merz)

„Lassen Sie sich nicht unterwandern und instrumentalisieren. Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um. Der Protest muss verhältnismäßig und im Rahmen der demokratischen Ordnung erfolgen.“ 
(FDP-Chef Christian Lindner)

„Wir sind Demokraten und da findet ein politischer Wechsel – wenn, dann über die Stimmabgabe in der Wahlkabine statt.“ 

(DBV-Präsident Joachim Rukwied)

Diese Politikeraussagen übersetzen wir jetzt mal ins Deutsche:

Anzufügen wäre noch, dass auch ein Merz lediglich bezahlter, privilegierter Handlanger der wirklich Mächtigen ist, deren Stellung als Eigentümer der Produktionsmittel sie zu den nichtgewählten Entscheidern über die Grundlagen der gesellschaftlichen Reproduktion macht. Dass diese Entscheidung IMMER zugunsten ihres Eigentums ausfällt, darf nicht verwundern.