Im Fernsehen läuft WDR aktuell, eine Nachrichtensendung. Mit folgenden Worten wird das Treffen zwischen dem russischen und dem chinesischen Staatspräsidenten anmoderiert:
„Würden SIE jemanden besuchen, der seinen Nachbarn brutal überfallen hat und gegen den ein Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof vorliegt?“ Die Ansagerin, eine Mittdreißigerin mit keiner anderen Qualifikation außer einem netten Gesicht und der Fähigkeit, fehlerfrei vom Blatt abzulesen, macht eine Kunstpause. „Die Antwort ist natürlich. NEIN! Außer man ist Xi und braucht das russische Öl“ usw.
Es folgen ein paar Aufnahmen des Treffens der beiden Präsidenten und ein, höchstens zwei Sätze zu der Tatsache, dass jeder von ihnen in den Zeitungen des anderen Landes einen Artikel veröffentlicht hat. Was da drin steht, braucht den deutschen Fernsehmichel in NRW schon nicht mehr interessieren, denn dafür ist der Experte zuständig, der jetzt hinzugeschaltet wird.
Er erzählt uns, dass Chinas Wirtschaft zehnmal größer als die russische ist und kommt dann auf den für westliche Journalistenhirne eigentlichen Knackpunkt solcher Besuche: Wer ist der Stärkere und kann so den anderen erfolgreicher erpressen?
„Putin ist diesmal der Unterlegene – er wirkt verunsichert, blickt zu Boden bei der Begrüßung des Staatsgastes. Russland muß um Chinas Unterstützung für seinen Krieg in der Ukraine werben.“
Nach solchen profunden psychologischen Analysen bleiben für den fernsehkonsumierenden Westbürger keine Fragen offen. Die Begegnung der Staatsoberhäupter und die Beziehung der beiden Länder wird noch ein paar Sätze lang unter dem Aspekt „Wer wen?“ abgehandelt und am Ende ist Journalisten und Zuschauern klar, das hier ein psychologisch schwer verstörter Diktator der geballten wirtschaftlichen Macht des anderen Diktators schwanzwedelnd zu huldigen hat, damit seine bösen Schliche von letzterem irgendwie abgenickt werden und beide weiter Geschäfte machen können.
Nichts anderes als Hegemonie und Unterordnung, Erpressung und Einknicken, Machtkampf um Kontrolle des anderen und der Staatenwelt können und wollen sich die journalistischen Hofnarren des US-Imperiums vorstellen. Ihre Welt ist die eines erbarmungslosen Kampfes um den eigenen Vorteil GEGEN den Rest der Welt; ein Kampf, der jedes Mittel rechtfertigt, bei Bedarf auch Krieg, wenn’s der Überlegenheit und Hegemonie des eigenen Lagers dient.
Die Projektion des archetypisch Bösen auf den Feind gehört zur journalistischen Routine wie das Bäuerchen nach dem Brei bei Babys. Auch und gerade in Nachrichtensendungen werden nicht Nachrichten gesendet, sondern Meinungen und Urteile kolportiert: faktische Meldungen nehmen bestenfalls den Platz von Aufhängern ein, an denen die unbedingt zu erfolgende Dämonisierung des Gegenspielers festgemacht wird. „Experten“ sortieren jede Information ein in den Kontext allumfassender Verurteilung abweichender Standpunkte und einer eins-zu-eins mit der Regierungspolitik identifizierten Berichterstattung.
Deutsche Medien sind die Fankurve der Staatsmacht und ihr Publikum hat gefälligst die richtigen Fahnen zu schwenken und die richtigen Sprechchöre zu brüllen.