Geschichten die das Leben schrieb: Weltkriegsnews und Weinfragen

Auf dem Abendspaziergang mit dem Hund sprechen die Frau und ich über eine Nachrichtensendung, die sie gerade im WDR gesehen hat. Es ging mal wieder um den Krieg in der Ukraine und um das Bestreben der westlichen Sponsoren des Krieges, ihrer ukrainischen Stellvertreterarmee immer mehr und weitere Kriegswaffen zu liefern. Inzwischen stehen Kampfpanzer und Kampfflugzeuge und andere schöne Gerätschaften aus dem Arsenal der NATO zur Debatte; in den Mainstream-Nachrichten werden solche Dinge ausschließlich parteiisch aus ukrainischer Sicht vermeldet und immer ein ohnehin vorhandenes Einverständnis des Zuschauers mit der NATO-Version der Ereignisse vorausgesetzt.

Ich erwähne das kürzlichen Statement des stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, der auf den Irrsinn hinwies, einer Nuklearmacht eine militärische Niederlage zufügen zu wollen. Wörtlich sagt Medwedew: „Die drohende Niederlage einer Atommacht in einem konventionellen Krieg kann den Ausbruch eines Atomkriegs provozieren. Die Atommächte haben die großen Konflikte, von denen ihr Schicksal abhängt, nicht verloren.

Aber das sollte jedem klar sein. Sogar einem westlichen Politiker, der sich wenigstens eine Spur von Intelligenz bewahrt hat.“

Meine in ihrer Selbsteinschätzung und ganzen Lebenshaltung „unpolitische“ Gattin seufzt tief auf und bemerkt: „Wenn ich sowas höre, möchte ich sofort wieder eine Flasche Wein aufmachen. Das ist so schrecklich und deprimierend, diese ganzen Nachrichten…“

Man muss in diesem Zusammenhang wissen, dass der heutige Tag unser selbsterklärter drogenfreier Tag ist, damit wir einen alternierenden Rhythmus von einem Abend mit und dem nächsten Abend ohne Wein einhalten. Diese hehre Vorhaben wird nun von meiner Liebsten infrage gestellt. Sie führt weiter aus: „ich verstehe diese Leute nicht, die so etwas planen und machen! Ich verstehe überhaupt die ganze Welt nicht mehr!“

„Hast du sie denn vorher verstanden?“ frage ich, auf einen ausführlicheren Austausch über weltanschauliche und politische Fragen spekulierend.

„Vorher hat es mich nicht interessiert!“ erhalte ich zur Antwort. „Ich versuche erst seit ich sechzig bin, die Welt zu verstehen. Aber ich verstehe das alles nicht. Ich verstehe die Leute nicht, die darüber jammern, dass alles so teuer ist und dann zwei- oder dreimal im Jahr in Urlaub fahren!“

Dieser abrupte Schwenk zu den Sorgen der bessergestellten Mittelschichtsangestellten aus ihrem beruflichen Umfeld zeigt mir, dass das Fenster zu einer substantiellen Diskussion imperialistischer Geopolitik schon wieder verschlossen ist und dass meine Herzdame in ihrer typischen Art und Weise bei den ganz bodenständigen und elementaren Fragen gelandet ist, die in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis diskutiert werden: reicht das Nettoeinkommen für die zahlreichen Annehmlichkeiten des bürgerlichen Lebens, an die ich mich als Mitglied der gehobenen Mittelschicht gewöhnt habe oder muß ich mich am Ende gar irgendwo einschränken?

Sämtliche politischen Fragen, inklusive der Frage von Krieg und Frieden, werden ausschließlich unter diesem Aspekt betrachtet und bewertet, und die politische Präferenz ihrer Klasse liegt dort, wo ihr ein möglichst störungsfreies „Weiter so“ dieses komfortablen Daseins versprochen wird.

Ich seufze ebenfalls, aber mehr innerlich, und beschließe, an dieser Stelle keine weiteren Agitprop-Anstrengungen zu unternehmen und als Diskussionspunkt nur noch einen einzigen aufrechtzuerhalten: den nach der Frage „Weißwein oder Rotwein“.