„Der Stürmer“ für Intellektuelle tritt nach

Da sich rational nicht mehr bestreiten läßt, dass Artemowsk von Wagner PMC und russischer Armee befreit wurde, muß jetzt aber wenigstens noch ein bißchen nachgeholzt und -gehetzt werden. Irgendwas wird sich da doch finden lassen. Ist doch schließlich der Iwan, der schon aufgrund seiner slawischen Untermenschnatur zu jeder bösen Tat fähig ist!

Und richtig: das Relotiusmagazin findet tatsächlich zwei Babuschkas aus der Verwandtschaft eines getöteten Wagner-Kämpfers, die sich bitterlich beschweren, dass ihr Sohn bzw. Neffe dort angeheuert hat und in Ausübung seines Jobs gestorben ist – ein Risiko, das ihm gut bekannt war und für das er außergewöhnlich gut bezahlt wurde. Aus hochdotierten Profi-Soldaten – den besten der Welt, laut einhelliger Meinung aller (auch westlicher) Experten für diesem Gebiet – deren Berufsrisiko den Tod auf dem Kriegsschauplatz untrennbar beinhaltet, werden so im Bleistiftumdrehen „unsere Kinder“, und diese lieben Kleinen wurden nun vom abgrundtief bösen Prigoshin im Grunde vom Spielplatz weggelockt und „in den Tod geschickt“.

Damit ist schon per Haupt-Schlagzeile unseres Lieblingslügenblättchens wieder klargestellt, dass egal was der Russe treibt, er auf jeden Fall Dreck am Stecken hat. Und sofern es mit Militärischem zu tun hat, nicht nur Dreck, sondern mörderische Bosheit, Ströme von Blut und eine arttypische Feindschaft gegen alles Gute, Menschliche, Schöne und regenbogenfarben Diverse, also Westliche.

Der durchschnittliche mittelschichtsdebile „Spiegel“-Leser schüttelt das liberale Haupt und seufzt wohlig auf, in der Gewißheit, dass er’s ja sowieso schon immer gewußt hat, und in Dankbarkeit zu seinem Nachrichtenmagazin, welches ihm diese freie Meinung, die er sich als freier Bürger ganz eigenständig gebildet hat, mal wieder bestätigt. Er fragt sich noch kurz, ob das jetzt eventuell Auswirkungen auf seinen Herbsturlaub haben könnte, verneint innerlich diese Frage und macht sich noch ein Bier auf: Bürgerwelt in Ordnung!