Eine Facebookfreundin schreibt:
Ich möchte heute, am Nationalfeiertag der DDR, noch etwas sagen.
Ich bin 1981 im Westen geboren und kannte die DDR nicht. Als 18 jährige bin ich nach Berlin gegangen und habe an der Tanzakademie und in der Kulturbranche viele aus der DDR kennengelernt.
Ich war zu diesem frühen Zeitpunkt in meinem Leben schon so ein asoziales Verhalten in der Gesellschaft gewöhnt, in der ich groß geworden bin, dass es für mich ein Phänomen war, dass solche Menschen, wie aus der DDR, überhaupt existieren. Sie waren für mich schon fast wie eine Spezies von einem anderen Planeten, die tatsächlich sozial eingestellt sind, niemanden ausgrenzen, Solidarität und echten Zusammenhalt kennen.
Sollte dieses Deutschland noch einmal geteilt werden, ist für mich völlig klar, dass ich in den Osten gehen werde. Ich bin vom Westen dermaßen geschädigt, dass ich mir seinen Untergang wünsche, seine Ideologien verbanne, seinen Einflüssen, Verführungen und Manipulationen widerstehen und für immer den Rücken kehren will.
Meine Antwort:
Das deckt sich mit meinen Beobachtungen und Erfahrungen. In den 1950er Jahren in Hamburg geboren, in der Wiederaufbau- und Wohlstands-BRD sozialisiert und von klein auf mit der Milch der marktwirtschaftlichen Denkungsart und der US-Kultur aufgezogen, und das in einer sozialdemokratisch-kommunistischen Arbeiterfamilie, die nach und nach den Weg in die gehobene Mittelschicht zurücklegte – all das reichte nicht aus, um mein Unbehagen über die bzw. meine Kritik an den verlogenen Zuständen des kapitalistischen Alltags auszulöschen.
Die marktwirtschaftsgemäße Deformation der Individuen, ihr Geiz, ihre Gewinnsucht, ihre Kleingeistigkeit, ihre Besessenheit nach Erfolg in der Konkurrenz stieß mich ab solange ich denken kann.
Als ich lange nach Ende der DDR in Weimar landete und dort auf Menschen traf, die nicht die Schule westlicher Konkurrenz und Entsolidarisierung durchlaufen hatten, fühlte ich mich zum ersten Mal im Leben in Deutschland zuhause.
Bei aller notwendigen (solidarischen!!) Kritik am ostdeutschen Sozialismusversuch gibt es zwei Dinge, die die DDR zum besseren Deutschland machen:
Erstens die Tatsache, dass die DDR der einzige Friedensstaat in der deutschen Geschichte ist und bleibt. 40 Jahre lang ging kein Krieg von deutschem Boden aus, jedenfalls nicht vom Boden der DDR.
Zweitens der Umstand, dass die DDR-Menschen in ihrer Mehrzahl – dank der Sowjetunion und dank des Aufbaus des Sozialismus, egal wie holprig der war – ohne Ausbeuterei und kapitalistische Konkurrenz eine Gesellschaft errichteten, die ein anständiges Leben für alle jedenfalls als Absicht und Ziel anvisierte.
Inspiriert von der Kritik der politischen Ökonomie, die Marx und Engels formuliert haben und gestützt auf die humanistischen und revolutionären Traditionen der deutschen Geschichte und Kultur.
Nach einer Weile merkte ich, vor allem am Arbeitsplatz, dass ich mir das nicht einbildete, sondern dass in der DDR aufgewachsene und ausgebildete Menschen die Haltung einer praktischen, menschlichen, umfassenden Solidarität tatsächlich als Selbstverständlichkeit leben. Meine Erleichterung darüber, dass es sowas wirklich gibt und dass das selbst nach der Rückeroberung der DDR durch den BRD-Kapitalismus zumindest in den Leuten meiner Generation nicht mehr auszulöschen war, kannte keine Grenzen.
Ich verschließe absolut nicht die Augen vor dem, was ich den „Gartenzwerg-Sozialismus“ der DDR nenne, die Engstirnigkeit, Spießigkeit, Bevormundung und Einschränkung der Bewegungsfreiheit (nicht dass das ein DDR-Spezifikum wäre; so ähnlich und schlimmer kennt man es aus der heutigen BRD und anderen imperialistischen Staaten). Trotzdem feiere ich den Republikgeburtstag und diesen kleinen mitteleuropäischen Staat, als Ausdruck der Hoffnung auf ein Leben ohne die Barbarei des imperialistischen Krieges, ohne die Primitivität der kapitalistischen Konkurrenz und ohne die Widerwärtigkeit der demokratischen Propaganda, die aus Lüge Wahrheit, aus Krieg Frieden, und aus Unwissenheit Stärke macht.