Geschichten die das Leben schrieb: Bart gegen Aschenbecher

Die Plastiktüte mit dem Plastikmüll, die an einem Sideboard in der Küche hängt , ist voll. Als Volkskommissar für das Entsorgungswesen unserer kleinen Volksrepublik nehme ich sie vom Haken, um sie vor die Tür zu stellen und bei der ersten Hunderunde morgen früh mitzunehmen. Die Mülltonnen stehen nämlich allesamt im Keller, und das bedeutet, aus dem Dachgeschoß insgesamt acht Treppen runterzulaufen.

„Nee, lass die Tüte mal hängen!“, lässt sich die Frau vernehmen, „es gibt nichts Asozialeres als Müllbeutel vor der Tür stehen zu haben!“

Das ist mir nicht ganz verständlich, da außer uns niemand auf unserem Stockwerk wohnt, und über uns sowieso niemand. Es kann also gar keinem als „asozial“ auffallen außer uns selbst. Als Freund von Frieden und Harmonie im täglichen Leben stelle ich jedoch solche Marotten meiner Liebsten nicht in Frage. Auf ihre letzte Bemerkung reagiere ich allerdings mit einem entschiedenen „Doch!“, und beantworte ihre Nachfrage (mit der ich natürlich gerechnet habe), was das wäre, mit der einzigen Kritik, die ich an einer ihrer Angewohnheiten äußere: „In der Wohnung rauchen zum Bespiel!“

Mein Wink mit dem Zaunpfahl prallt an meiner schlagfertigen Gattin ab wie Fett von der Teflonbeschichtung der Pfanne. Sie kontert souverän mit: „Oder einen Bart tragen…“

Das will ich nicht auf mir sitzen lassen: „Bart tragen ist doch nicht asozial! Alle großen Männer der Weltgeschichte trugen Bärte…“ Bevor ich zu einer Aufzählung der Lichtgestalten der menschlichen Geschichte von Jesus bis Marx und Lenin ansetzen kann, bekomme ich eine Auskunft von ihr, die mich allerdings nachdenklich macht: „Du gefällst mir nicht mit Bart. Mach den doch wieder weg!“

„Ich gefalle mir selber aber momentan ganz gut mit Bart“, mache ich einen schwachen Verteidigungsversuch. „Irgendwann kommt der schon wieder weg… spätestens wenn’s wieder wärmer wird!“ Im Grunde bin ich aber gedanklich schon beim Rasierapparat bzw. beim nächsten Barbershop-Besuch. Denn wenn mein Herzdame mich darum bittet, ihren ästhetischen Preferenzen an dieser Stelle entgegenzukommen, will ich nicht auf Gesichtsbehaarung bestehen. Schon weil‘s mir im Grunde egal ist.

Bevor ich an meine diversen Endgeräte verschwinde, um mich wieder zeichnerischer Versenkung und kommunistischen Umtrieben zu widmen, nähere ich mich ihr mit der Bemerkung: „Krieg ich jetzt trotz Bart noch einen Kuß?“ Sie geht darauf ein, verzieht aber in gespieltem Ekel das Gesicht und quengelt „Iiih, das piekst immer so…!“.

„Und ich küsse ständig einen Aschenbecher!“ kann ich mir nicht verkneifen zu sagen. „Ja, er nur manchmal! Dein blöder Bart piekst immer!“ erhalte ich zur Antwort. Ich sehe ein, dass ich einfach immer den Kürzeren ziehe, was solche Debatten betrifft, und trolle mich in meine Ecke im Wohnzimmer – gefolgt von meinem treuen Hund, der nicht nur bärtig, sondern aufs Üppigste ganzkörperbehaart ist und schon deswegen eindeutig zu seinem Herrchen hält.