Forken, Mistgabeln und Guillotinen

Hope I die before I get old.“ (The Who)

Leider zu spät, bin schon Armutsrentner. Die nachrückenden Lohnarbeitergenerationen dürfen sich schon auf ein Leben als Flachensammler freuen:

Fast die Hälfte aller heute sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten wird sich später mit monatlichen Altersbezügen von unter 1.500 Euro begnügen müssen.“

Von diesen wird ein erklecklicher Anteil mit Renten von deutlich unter 1000 Euro über die Runden kommen müssen. Für einige sicher ein Grund, sich freiwillig vorzeitig aus dem irdischen Dasein zu verabschieden.

Ich fürchte, auch diese für fast die Hälfte der BRD-Bürger garantierte spätere Armut wird die Leute nicht dazu bringen, die naheliegenden Fragen zu stellen:

  • Wieso vermehrt sich der gesellschaftliche Reichtum, während wir immer ärmer werden?

  • Wieso landet der von uns erarbeitete Reichtum bei einer kleinen Elite, während die Masse leer ausgeht und inzwischen kaum noch die grundlegendsten Dinge des Lebensunterhalts bezahlen kann?

  • Wer bestimmt über diese Verteilung und wem GEHÖRT all das Zeug wie Fabriken, Büros, Unternehmen usw., Indexen der Reichtum produziert wird und nie bei denen ankommt, die dort lohnarbeiten?

(Wieviel „verdient“ BMW-Erbin Susanne Kladden nochmal pro Tag? 3 Millionen Euro? 3,2 Millionen? Pro Tag. 365 mal im Jahr.)

Ich muss an Forken, Mistgabeln und Guillotinen denken.

https://www.jungewelt.de/artikel/458844.sozialpolitik-habenichtse-im-alter.html

Öffentlichkeit empört: Kapitalismus tatsächlich kapitalistisch!

Krankheitsbedingt auf dem Sofa begehe ich den Fehler, den Fernseher anzuschalten.

Die staatliche Sendenanstalt bringt in ihren Nachrichten einen Bericht zu einem steuervermeidenden Geschäftsmodell für Reiche, Oligarchen und Konzerne, bei dem die einschlägig betuchte Klientel mit tatkräftiger Hilfe der demokratischen Finanzwelt des Bankensektors europaweit insgesamt 55 Mrd. Euro „auf Kosten des Steuerzahlers“ abgesahnt hat (Im Klartext also die systemübliche Umverteilung von unten nach oben, denn „der Steuerzahler“ ist ja im Wesentlichen der LOHNSTEUER-Zahler).

Das Staatsfernsehen klopft sich auf die Schulter für „die monatelange Recherche“ einer ganzen Truppe von Journalisten, der zuständige EU-Kommissar äußert Verständnis für „die Bürger, die dieses unmoralische Verhalten nicht mehr tolerieren“ wollen, der Nachrichtensprecher trägt dies alles vor wie der Verbrecherjäger von „Aktenzeichen XY“.

Kurzum, die Heuchelei schlägt wieder Purzelbäume, denn die jetzt empört verdammten Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte waren bis vor kurzen ganz legaler Bestandteil der üblichen Bereicherung derjenigen, denen die finanzkapitalistischen Verhältnisse das Privileg einräumen, aus Privateigentum und Ausbeutung fremder Arbeitskraft sich diese Tricks und Schlupflöcher der bankenaufsichtsrechtlichen Regularien zunutze zu machen.

Die Profiteure dieser Art Geschäfte, egal ob vermögende Privatleute, unternehmerische Leistungsträger oder die für die Abwicklung unerlässlichen Banker – allesamt Vorzeigebürger der freiheitliches Demokratie, die nur das taten (und immer noch munter weiter tun, laut Auskunft des Nachrichtenmannes), was in dieser Eigentumsordnung zur Natur der Sache gehört: Geld vermehren auf Kosten derjenigen, die für die Geldvermehrung mit ihrer Arbeit und letztlich ihrem Überleben geradestehen müssen.

Letztlich tun jetzt alle schwer verwundert, dass Kapitalismus tatsächlich kapitalistisch funktioniert. Allzu auffällige Disproportionalitäten – vor allem solche, die potentiell den Unmut des beherrschten Volkes hervorrufen könnten – werden allerdings im Nachhinein als Fehlverhalten einzelner Individuen dargestellt (statt als vorschriftsmäßiges Funktionieren des finanzkapitalistischen Systems), das durch Anpassung der entsprechenden Gesetze demnächst ein bißchen verhindert werden soll.

Radio hören

Nicht nur im öffentlichen Raum, auch beim Radiohören wird man ständig von mehr oder weniger (meist mehr) idiotischen Kauf- und Konsumaufforderungen belästigt. Schon um das wenigstens beim Radiohören zu umgehen, höre ich fast ausschließlich MDR Kultur oder ähnliche Sender. Wenn man diese allerdings streamt, z.B. über die TuneIn App, muss man zu Beginn einen Werbespot ertragen.
Die Ohren kann man nicht verschließen wie die Augen, und woanders hinhören geht auch nicht so einfach wie woanders hingucken, also höre ich gezwungenermaßen die 20- oder 30-sekündige Ansprache einer (nach Stimmlage, Intonation und gefakeder Begeisterung zu urteilen) etwa 24-Jährigen, die mir in sehr direkter, persönlicher, unangenehm aufdringlicher Art und Weise zuruft – nein, mich ungefragt verbal bedrängt – dass nur ich aussuchen könnte oder würde, wie mein Diesunddas aussehen oder gestaltet würde (die beworbene Sache habe ich vor lauter Ekel über diese Aufdringlichkeit gar nicht mitbekommen), “du allein entscheidest!!!” und ähnliche Jubelschreie, die mir nahelegen sollen, dass meine persönliche (Entscheidungs-)Freiheit mit dem Erwerb dieses Gegenstandes oder dieser Dienstleistung ihre letztendliche Bestimmung und Erfüllung gefunden hätte.
Bevor ich in die Kaffeetasse kotze, besinne ich mich, dass diese akustische Umweltverschmutzung ja in wenigen Sekunden vorüber ist und weigere mich innerlich ein weiteres Mal, die allgegenwärtige Werbeberieselung als unvermeidlichen Preis für diverse Annehmlichkeiten des Lebens im Kapitalismus (und damit diesen gleich mit) zu akzeptieren.
Und ich wundere mich, wie IRGENDJEMAND sich jemals daran gewöhnen kann, in einer Welt zu leben, die “Freiheit” mit der Fähigkeit gleichsetzt, sich sklavisch jeglicher Freiheit zu entäußern, um als funktionierendes Rädchen der marktwirtschaftlichen Konsumwelt zu funktionieren – eben so, wie es die Werbetreibenden brauchen, um bei Strafe des wirtschaftlichen Untergangs ihre Produkte und Dienste in der Konkurrenz um Kaufkraft abzusetzen.
Erstmal noch’ n Kaffee.

Alt, krank und bettelarm | KenFM.de

Alt, krank und bettelarm | KenFM.de

Eine Parabel

In der einzigen Kantine, die alle zum Essen aufsuchen müssen, bereitet ein Koch feinste Speisen zu: erlesene Menüs mit 5 und mehr Gängen, schmackhafte und gesunde Kost wie auch üppige und herzhafte Leckereien aller Art. Da bleiben keine Wünsche offen.

Einziges Problem: diese kulinarische Rundumversorgung ist nur einem kleinen Gästekreis zugänglich.

Die große Anzahl der Esser wird mit sattmachenden, aber billig produziertem Zeug abgefüttert, das weder Mensch noch Tier noch Natur bekommt. Aber sie können aus einem Angebot wählen, das vom Umfang her so üppig aussieht wie das der privilegierten Speisenden.

Eine weitere nicht unbeträchtliche Anzahl erhält Reste, Abfälle, gelegentliche Nahrungsmittelspenden, die ein unmittelbares Verhungern verhindern.

Dann gibt es noch – saisonal variierend – einen ordentlichen Prozentsatz an Leuten, die zwar gerne essen würden, aber gar nicht erst in die Kantine gelassen werden. Die müssen leider verhungern.

Der Koch, angesprochen auf die ziemliche ungleiche Versorgung der Gäste, zuckt die Achseln, murmelt etwas von “die abgewiesenen Gäste können sich ja mehr anstrengen, an die Tafel mit den Sterne-Menüs zu kommen!” oder “Ja, unschön, aber so ist leider nun mal die Natur des Restaurantkunden…” und widmet sich wieder seinen Töpfen und Pfannen.

Nun begab es sich, dass ein Teil der Hungrigen beschloss, fortan auf die “Dienste” des Kochs zu verzichten, einen eigenen Koch anzuheuern und selbst eine Kantine aufzumachen.

Das klappte mal gut, mal weniger gut; es gab keine solch überwältigende Auswahl wie in der Kantine des Sternekochs, aber alle hatten zu essen und alle wurden satt. Die Speisekarte wurde gemeinsam erstellt, musste aber mit weniger Gerichten zurechtkommen, denn der Sternekoch der anderen Kantine – bis zur Weißglut erbost über die neue Konkurrenz – hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, der neuen Kantine und ihren Gästen das Leben so schwer wie möglich zu machen, in dem er dafür sorgte, dass die Neuen so wenig wie möglich Lebensmittel, Zutaten und Material zur Verfügung hatten. Sein erklärtes Ziel: alle Gäste sollten wieder in SEINER Kantine speisen!

Nach einigen Jahrzehnten war er am Ziel: die neue Kantine musste schließen, denn die Gäste, die einmal stolz darauf waren, dass in ihrer eigenen Kantine jeder satt wurde, waren in ihrer Unzufriedenheit über die einfachen Teller und Speiseangebote so ärgerlich mit ihrem Koch, dass sie nach dem alten Koch verlangten und erlesene Gerichte von edlen Porzellantellern zu speisen wünschten – obwohl sie wissen mussten (leider aber nicht wissen wollten), dass in der alten Kantine dieses Privileg nur wenigen vorbehalten ist und die Mehrheit eher vom Küchenassistenten Schmalhans bedient wird.

Seitdem gehen wieder alle in die alte Kantine, in der die Gerichte für die Wenigen immer üppiger werden, die Suppe für die Mehrheit immer dünner und weniger nahrhaft, und die Anzahl der Verhungernden stetig steigt.

Diesmal hat der Koch der grassierenden Unzufriedenheit aber vorgebeugt. “Ihr seht ja”, sagt er zu den Gästen, “dass das nichts wird mit eurem alternativen Koch! Der will nämlich auch nur Chef in der Küche sein und euch die Suppe einbrocken! Und ihr wisst ja wohl noch, wie DIE geschmeckt hat! Eine andere Kantine ist wider die Essnatur, und das bleibt für alle Zeiten so.”

Und weil fast alle Gäste dies glaubten – und die paar, die es nicht glauben wollten, ebenfalls auf das Essen der einzigen Kantine angewiesen waren – gaben alle Restaurantkritiker ihm recht.

Nur ein alter Feinschmecker, dessen Restaurantkritiken bereits vor 150 Jahren erschienen und u.a. auch den Koch der neuen Kantine zu seinem reduzierten, aber für alle sättigenden Speiseangebot inspiriert hatten, wiegte bedenklich sein bärtiges Haupt und sprach: “Kommunismus heißt nicht, den KOCH auszutauschen, sondern SELBER die Küche zu übernehmen. Wann kapiert ihr das endlich?”