Imperialismus macht, was Imperialismus macht

Abends am Rechner. Nebenher läuft die “Tagesschau”, die gerade fast 5 Minuten Alarmstimmung wegen des Telegram-Messengerdienstes macht. Diese Plattform hätte ihre User zu überwachen und zu regulieren wie Facebook und Google es vormachen – es sind zuviele abweichende Meinungen unterwegs, im Staats- und Qualitätsmediensprech: Rechtsextreme, Querdenker, Coronaleugner.

Mentale Notiz: Staat und angeschlossene Medien machen schon gar kein Geheimnis mehr über ihre Absicht und ihr Bedürfnis, umfassende Zensurmaßnahmen zur Kontrolle unbefugten Denkens einzuführen und auszubauen (aber über China und Russland als “freiheitsfeindliche Autokratien” lamentieren – ein guter Witz).

Ansonsten erfährt man, dass der Russe weiterhin eine Gefahr nicht nur für die Ukraine, sondern gleich für den gesamten Wertewesten darstellt. Die Kriegstrommeln werden heftig gerührt und mit jedem Tag, der vergeht, wird das Publikum weiter auf Konfrotation, Feindbilderzeugung und Krieg vorbereitet.

Alles in Butter in der besten aller Welten: Imperialismus macht, was Imperialismus macht.

Geschichten die das Leben schrieb: Zeichen und Wunder an der heimischen Basis!

Meine Liebste, ansonsten eher dem seichten Vorabend-Fernsehprogramm, “Tatort”-Folgen und der Perfektionierung von Haushalt und Küche zugetan, hat sich vor der Mediathek niedergelassen und eine höchst umsturzverdächtige Konserve vom NDR aufgerufen.

Während ich am Rechner sitze und mit halbem Ohr hinhöre, glaube ich meinen Ohren nicht zu trauen. “Was guckst DU denn da??” frage ich überrascht. “‘Wie endet der Kapitalismus?’ – Hauptsache er ENDET überhaupt!” kann ich mir nicht verkneifen zu bemerken.

“Das will ich jetzt mal sehen! Das ist interessant!” erhalte ich zur Antwort. Meine Gattin ist allerdings aufs Empörteste sensibilisert, seit sie vor ein paar Tagen eine Reportage über den Wohnungsmarkt sah, in dem zahlreiche Normalverdiener vorgestellt wurden, die aufgrund der marktwirtschaftsüblichen Immobilienspekulation sich die Miete nicht mehr leisten können.

Seit geraumer Zeit beobachte ich eine zunehmend kritischere Einstellung meiner Herzdame zu allerlei Phänomenen, die – wie schlaue Kommunisten wie ich natürlich wissen – ihre Ursache im Ausbeutersystem und der imperialistischen Barbarei haben. Allerdings halte ich mich mit Einflußnahme so gut ich kann zurück und versuche, wenn (zu meiner Freude) doch mal das Gespräch auf politökonomische und gesellschaftstheoretische Themen kommt, so sachlich und faktisch wie möglich zu argumentieren.

Gerade meine Frau ist eine hervorragende Trainingspartnerin für solide und nüchterne kommunistische Überzeugungsarbeit ohne Missionierungseifer und emotionale Agitation. Sie ist von Persönlichkeitsstruktur und Herkunft typisches Kind westdeutscher Wohlstandsverhältnisse. Beruflich ist sie, als studierte Betriebswirtin, seit Jahrzehnten bei einem finanzkapitalistischen Konzern beschäftigt, hat also einen ziemlich nüchternen Blick auf finanzielle und ökonomische Dinge.

Wenn sogar jemand wie sie anlässlich der anstehenden Bundestagswahlen verkündet, dass sie obwohl sie eigentlich nicht wählen wollte, “diesmal die Kommunisten” wählt, kann ich mir das ein wenig auch als eigenes Verdienst anrechnen, da ich aus meinen politischen Sympathien (ebenso wie aus meiner Meinung zu bürgerlichen Wahlen, btw) kein Hehl mache – andrerseits sind die Verhältnisse anscheinend mittlerweile so, das viele Leute von selbst drauf kommen, dass Kapitalismus eben schon als Kind scheisse war.

Vorläufig hat mein Schatz aber andere Probleme mit der politischen Weiterbildung: da die Mediathek übers Internet auf den Fernsehschirm gelangt und heute wohl die Verbindung etwas instabil ist, fällt zu ihrer Verärgerung immer wieder mal der Videostream aus. Scheinbar immer an ähnlichen Stellen, jedenfalls höre ich sie fluchen:

“Immer wenn ich höre, dass die Reichen noch reicher werden, fällt das Internet aus! Vielleicht soll ich gar nicht wissen, dass die Reichen noch reicher werden…”

Geschichten aus dem Pflegeheim: Ziviler Orden für die Küche

Bunte Runde am zweiten Weihnachtstag im Wohnbereich. Wie immer entsteht aus Zurufen und Anmerkungen der Anwesenden ein Bild, dazu
entspinnt sich eine Geschichte. Ebenfalls wie immer kommen wir dabei vom Hölzchen aufs Stöckchen und landen schließlich über „Mal´ mal ´ne Eiche!“ beim Eichenlaub und dessen Verwendung in militärischen Rangabzeichen, Orden usw.


Ich schlage eine zivile Umwidmung vor, die nach einhelliger
Ansicht der BewohnerInnen an die Küche gehen muss. Im Gegensatz zu sehr vielen
anderen Einrichtungen, die aus Kostengründen lieblos und billig
zusammengepantschtes Großküchenfutter anbieten, leistet sich mein diakonischer
Arbeitgeber nämlich eine eigene Küche mit den nötigen Fach- und Servicekräften.
Das wird von den Heimbewohnern sehr geschätzt und bis auf ganz seltene
Ausnahmen sind alles des Lobes voll für die tägliche Verpflegung.

Es wird beschlossen, dass das so entstandene Bild der Küche
übergeben werden muss. „Heimlich nachts aufhängen!“, schlägt Herr R. vor. Aber
da er das nicht selber übernehmen will und wir der Meinung sind, dass man sich
mit Lob nicht verstecken muss, überreiche ich die Auszeichnung anschließend –
im Namen der BewohnerInnen des Wohnbereiches – dem Küchenchef.
Strahlende Augen und breites Grinsen bei ihm und seiner Truppe, die sich wirklich täglich den
Arsch aufreißen, um für die Leute lecker Essen hinzustellen.

Mitläufer des Sozialismus

Aus einem Facebook Thread (siehe Screenshot)

Die Antwort des Lehrers in dem schönen Beispiel zeigt das Kernproblem jeder Gesellschaft, aber vor allem einer, die auf Einsicht, Erkenntnis der Klassenstruktur und Kritik der politischen Ökonomie setzt: ALLES, auch die richtigste Analyse und der korrekteste Standpunkt kann zum toten Dogma werden, das wie eine Monstranz hochgehalten und hinter dem sich die kritische Intelligenz zum Schlafen legt.

Solche Haltungen der Mitläufer des Sozialismus, die von der sozialistischen Umgestaltung der Lebensverhältnisse gerade so viel verstehen (wollen), wie es für Ihr persönliches Fortkommen braucht, wurde parteioffiziell geduldet, wenn nicht sogar gefördert von den Verwaltern des Realsozialismus (ergab in der Konsequenz aus Sicht der Partei- und Staatssozialisten einen wenigstens nicht aufsässigen, angepaßten Sockel an Bürgern, die in ihrer Nische funktionierten. Konsequenz für die Errichtung von tatsächlichen sozialistischen Produktions- und Lebensverhältnissen jedoch: die Mitläufer waren für die Verteidigung der Arbeitermacht nicht zu haben und waren schneller im Lager der Konterrevolution als man “Lenin” sagen kann.