Meine Liebste, ansonsten eher dem seichten Vorabend-Fernsehprogramm, “Tatort”-Folgen und der Perfektionierung von Haushalt und Küche zugetan, hat sich vor der Mediathek niedergelassen und eine höchst umsturzverdächtige Konserve vom NDR aufgerufen.
Während ich am Rechner sitze und mit halbem Ohr hinhöre, glaube ich meinen Ohren nicht zu trauen. “Was guckst DU denn da??” frage ich überrascht. “‘Wie endet der Kapitalismus?’ – Hauptsache er ENDET überhaupt!” kann ich mir nicht verkneifen zu bemerken.
“Das will ich jetzt mal sehen! Das ist interessant!” erhalte ich zur Antwort. Meine Gattin ist allerdings aufs Empörteste sensibilisert, seit sie vor ein paar Tagen eine Reportage über den Wohnungsmarkt sah, in dem zahlreiche Normalverdiener vorgestellt wurden, die aufgrund der marktwirtschaftsüblichen Immobilienspekulation sich die Miete nicht mehr leisten können.
Seit geraumer Zeit beobachte ich eine zunehmend kritischere Einstellung meiner Herzdame zu allerlei Phänomenen, die – wie schlaue Kommunisten wie ich natürlich wissen – ihre Ursache im Ausbeutersystem und der imperialistischen Barbarei haben. Allerdings halte ich mich mit Einflußnahme so gut ich kann zurück und versuche, wenn (zu meiner Freude) doch mal das Gespräch auf politökonomische und gesellschaftstheoretische Themen kommt, so sachlich und faktisch wie möglich zu argumentieren.
Gerade meine Frau ist eine hervorragende Trainingspartnerin für solide und nüchterne kommunistische Überzeugungsarbeit ohne Missionierungseifer und emotionale Agitation. Sie ist von Persönlichkeitsstruktur und Herkunft typisches Kind westdeutscher Wohlstandsverhältnisse. Beruflich ist sie, als studierte Betriebswirtin, seit Jahrzehnten bei einem finanzkapitalistischen Konzern beschäftigt, hat also einen ziemlich nüchternen Blick auf finanzielle und ökonomische Dinge.
Wenn sogar jemand wie sie anlässlich der anstehenden Bundestagswahlen verkündet, dass sie obwohl sie eigentlich nicht wählen wollte, “diesmal die Kommunisten” wählt, kann ich mir das ein wenig auch als eigenes Verdienst anrechnen, da ich aus meinen politischen Sympathien (ebenso wie aus meiner Meinung zu bürgerlichen Wahlen, btw) kein Hehl mache – andrerseits sind die Verhältnisse anscheinend mittlerweile so, das viele Leute von selbst drauf kommen, dass Kapitalismus eben schon als Kind scheisse war.
Vorläufig hat mein Schatz aber andere Probleme mit der politischen Weiterbildung: da die Mediathek übers Internet auf den Fernsehschirm gelangt und heute wohl die Verbindung etwas instabil ist, fällt zu ihrer Verärgerung immer wieder mal der Videostream aus. Scheinbar immer an ähnlichen Stellen, jedenfalls höre ich sie fluchen:
“Immer wenn ich höre, dass die Reichen noch reicher werden, fällt das Internet aus! Vielleicht soll ich gar nicht wissen, dass die Reichen noch reicher werden…”