Weimar around the world

So heißt eine Facebookgruppe, in der ich Mitglied bin. Aus dieser Gruppe heraus meldete ein eifriger Denunziant einen Kommentar von mir bei der Staatsanwaltschaft, auf dass ich für pro-russische Feindpropaganda bestraft würde. In dem Kommentar hat ich die grüne Partei wegen ihrer Kriegshysterie kritisiert und auf Russlands vom kollektiven Westen abweichende, aber eben auch völkerrechtliche Begründung für seine Militäroperation in der Ukraine verwiesen. Das trug mir einen Strafbefehl von 3.500 Euro ein.

ich brachte den Vorgang der Gruppe zur Kenntnis, auch um andere zu warnen und auf die Existenz eines Denunzianten aufmerksam machen. Die Reaktion war überschaubar, aber interessant: neben einigen „Likes“ gab es reichlich Häme und Hass von selbsternannten Tugendwächtern imperialistischer Stellvertreterkriege. Meine eigenen Versuche,,darauf zu antworten, wurden von den Admins der Gruppe zensiert. Auch dieses Meme:

Zuviel für Weimarer Facebooknutzer, befanden die Admins von „WatW“

Was mich zu folgendem Text inspirierte, in welchem ich statt der Gruppe oder der Admins gleich Weimar direkt ansprach. Diesen Text ließen die Gruppenzensoren vorläufig sogar durchgehen:

Mein liebes Weimar!

Salve, gute alte Freundin! Ich vermisse dich immer noch, an beinahe jedem Tag! 

Weißt du noch, wir zwei, damals? Wie wir uns nachts verschworen haben, deine Geheimnisse zu lüften und deine entlegensten Ecken zu erkunden? All die Nachtschwärmer und Verrückten, die von hier nach da gebracht werden wollten! Es gibt wohl keinen deiner Winkel, jedenfalls sofern man mit dem Auto hinkommt, den ich nicht kenne! Ich liebte den geheimnisvollen  Rhythmus, mit dem die nächtlichen Autos über deine Straßen glitten, bis am Ende der Nacht nur noch wenige Fahrzeuge fuhren, und fast alle Fahrer, die in ihnen saßen, sich kannten. Das hatte etwas von Gurdjieff Movements & Sacred Dances, nur eben mit Autos auf Straßen statt mit Menschen auf Bühnen.

Ich vermisse den schönen Spaziergang zur Arbeit, aus der Südstadt runter über den Historischen Friedhof bis ins Sophienhaus. „Die Liebe höret nimmer auf“ steht auf einem der Grabsteine, und das war mir jedesmal Motivation und Inspiration für die Arbeit. Ich vermisse die Bewohner dort, alle mit denen ich zu tun hatte. Die meisten dürften inzwischen tot sein. Die Bewohner, die mir so viel über Weimar und seine Geschichte erzählen konnten. Der alte Herr R., der im Sophienhaus, dem früheren Krankenhaus, schon geboren wurde. Der 1939 sein Abitur auf dem Schillergymnasium machte und dann sofort zur Wehrmacht eingezogen wurde. Nach einer mehrmonatigen Pilotenausbildung in Österreich kam er zur Luftwaffe und hatte einige Jahre später das Glück im Unglück, über Stalingrad abgeschossen zu werden. Das rettete ihm das Leben, denn er wurde zurücktransportiert zu dir, mein Weimar, und landete wo? Genau: im Sophienhaus, das inzwischen natürlich auch als Lazarett diente. 

Und nun, am Ende seines Lebens, war er zum dritten Mal und für immer im Sophienhaus, das mittlerweile ein Pflegeheim geworden war. All diese Sachen erzählte er mir, während wir zusammen zeichneten und malten und in deine Geschichte ein- und wieder auftauchten, liebes Weimar.

Ich vermisse deine Bratwürste, und ich vermisse meine gemütliche Dachwohnung in der Südstadt, von der aus ich das Buchenwald-Mahnmal sehen konnte. Und wie es mich gemahnt hat! Jeden Tag ein paar Mal, bei jedem Blick aus dem Fenster in Richtung Glockenturm!

„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ Kann man überhaupt genug dazu ermahnen? 

Du geprüftes Weimar mit der Narbe der nicht vergessbaren Wunde da oben auf dem Ettersberg, du arme alte Seele, ich verrate dir jetzt was. Erschrick bitte nicht: D as, was du nie wieder sehen und erleben solltest, das ist heute wieder da: Krieg und Faschismus.

Nein, meine Liebe, noch nicht bei uns, aber tausend Kilometer weiter, im Osten. Und, glaub’ es oder nicht, der Feind ist auch schon wieder derselbe. Dort hinten in der Ukraine kämpfen Faschisten gegen Russen, und – halt dich jetzt bitte fest – diese Faschisten werden von UNS bewaffnet und finanziert! Ja, ich weiß, das hättest du dir in deinen schlimmsten Albträumen nicht ausdenken können. Ich auch nicht. Ist aber so.

Aber – pst! – das darf man nicht allzu laut sagen. Der Staat hat’s verboten. Man gilt dann – wieder mal – als „pro-russisch“, gibt „russische Propaganda“ wieder und wird hart bestraft.

Auch in dieser Gruppe hier, mein liebes Weimar, in der Gruppe die dich im Namen trägt, lauern die Inquisitoren und Hilfssheriffs der Staatsmacht, auf dass sie Verstöße gegen irgendwelche flugs neu gestalteten Gesetze finden. Verstöße durch Leute, die sich verdächtig gemein machen mit dem Feind. Kommt dir bekannt vor? Ja, mir auch. 

Eines noch, Lieblingsstädtchen, weil du ja die Namenspatronin dieser Gruppe bist: selbst in dieser Gruppe darf man darüber nicht allzu offen und allzu viel reden. Man erntet dann eimerweise Gehässigkeit, Schadenfreude und offene Feindseligkeit. Glaubst du nicht? Ach, Weimar, ich könnte dir Screenshots zeigen von solch niedriger Gesinnung, von solch wütiger Dummheit, dass dir die Tränen kämen. Das will ich aber nicht; eine schöne alte Dame muss sich davon nicht besudeln lassen. Das Allerkomischste (buchstäblich zum Schmunzeln komisch) ist allerdings, dass die gehässigsten und denunziatorischsten Kommentare von Menschen stammen, die sich selber des „Kampfes gegen Hass und Hetze  im Netz“ rühmen.

War schon immer so, sagst du? Die Niedrigkeit ist dort am stärksten, wo sie sich der Zustimmung der Masse sicher ist? Das mag wohl sein. Wenn ich auf solche Anwürfe antworte, werden meine Antworten schneller als man gucken kann von „Administratoren“ wegzensiert. Noch nicht mal Memes (das kennst du nicht, meine gute Alte; das sind Bildwitze, die man in diesem „Internet“ verbreitet), die ihre selbstgerechte Bigotterie aufspießen, ertragen sie. 

Ja, Weimarlein, weiß ich doch: Fanatiker sind per definitionem humorfrei. Das Letzte was sie fertigkriegen, ist über sich selbst zu lachen. Da hast du schon recht, und jetzt lass ich dich auch in Ruhe, meine kleine thüringische Geliebte mit dem großen Herzen und den alten Gassen: Du hast schon Schlimmeres ertragen als die neuen Krieger, die den alten I Feind jetzt erneut vernichten wollen (sie nennen‘s jetzt „ruinieren“). 

Komm, wir machen’s uns gemütlich in meinem Lese-Salon. Da kommen nur Leute rein, die den Vers des Weimarer Vorzeigebürgers vom Frauenplan beherzigen und leben. Also keine Zensoren, Denunzianten, Inquisitoren und andere deutsche Krämerseelen! Du aber, meine geliebte alte Stadt, jederzeit!

Auf dich, mein Weimar!

Quelle: Facebook-Gruppe „Weimar around the World“

Geschichten, die das Leben schrieb: Wie die Weimarer Grünen mir möglicherweise zu 50 Tagen Klausur auf Staatskosten verhelfen

Als ich letztes Jahr im November ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf erhielt, in dem mir ein Verstoß gegen irgendeinen der neu gestalteten und verschärften Gesinnungsjustizparagraphen des Strafgesetzbuches vorgeworfen wurde, dachte ich zunächst an einen schlechten Scherz. Zumal ich in einer GESCHLOSSENEN Facebook-Gruppe („Weimar around the World“) einen bellizistischen Beitrag eines grünen Weimarer Stadtverordneten „pro-russisch“ kommentiert hatte – und zwar in einer vergleichsweise harmlosen Art. Meine sonstigen ÖFFENTLICHEN Beiträge zu diesem Thema sind in der Regel um einiges schärfer und eindeutiger.

Wie auch immer, auf anwaltlichen Rat hin beschloss ich, die Sache auszusitzen und dachte, nachdem ich bis jetzt nichts mehr von der Staatsanwaltschaft gehört hatte, die Geschichte hätte sich erledigt. Hat sie aber nicht.

Mein staatsgefährdendes Gedankenverbrechen, das nach Ansicht der Staatsanwaltschaft „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“, ist der politischen Justiz eine Strafe von 3.500,00 Euro wert. Soviel finanziellen Schmerz meint man, mir zufügen zu müssen, damit ich es nicht wage, noch einmal den NATO-Krieg gegen Russland auf verbotene Weise zu kommentieren.

(Das muss diese Meinungsfreiheit sein, für die die politischen Auftraggeber der Judikative u.a. einen Krieg in der Ukraine führen, bzw. von den ukrainischen Nazi-Verbänden führen lassen.)

Da ich weder das Geld noch die Absicht habe, für eine politische Stellungnahme zu einer Angelegenheit, die von der Natur der Sache her schon kontrovers diskutiert wird – und die außerdem den Tatsachen entspricht – 3.500,00 Euro (oder IRGENDEINE Summe) zu bezahlen, wird die Geschichte nun weiter gehen. Wie? Keine Ahnung.

Zunächst mal zum Anwalt, vielleicht ins Gefängnis. Denn lieber sitze ich die fünfzig Tage auf Staatskosten bei freier Kost und Logis in einer Justizvollzugsanstalt ab, als dass ich auch nur einen Cent Strafe für Meinungsäußerung zahle.

Im Grunde gar keine schlechte Option, wenn ich’s recht bedenke: ich könnte als Insasse einer Klausurzelle in einem staatlichen Knast all die komplexen und langwierigen Zeichnungen der Oberkasseler Plätze fertigstellen, die ich mir vorgenommen habe! Insofern würden mir die ökofaschistischen Inquisitoren der Weimarer „Grünen“ noch einen Gefallen getan haben.

Frieden mit Russland? Das ist Feindbegünstigung und wird bestraft.

Mit einem Bußgeld in dreifacher Höhe der monatlichen Einkünfte dieses Rentners.

Am 09. November – manche erinnern sich, was an diesem Tag vor 84 Jahren in Deutschland passierte – bin auch ich nach einer Denunziation eines unserer grünen Friedensfreunde wegen eines ähnlichen Vergehens („Billigung einer Straftat nach §140“) zur Poilzei eingeladen, die im Vorfeld der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen herausfinden möchte, wieso ich in einer geschlossenen Facebokk-Gruppe frecherweise pro-russische Positionen vertrete.

Nicht dass ich vorhabe, dort zu erscheinen.

Da das Ganze bei Nichterscheinen an die Staatsanwaltschaft geht, die dann entweder Anklage erhebt oder das Verfahren einstellt (mein Anwalt hofft auf letzteres), bin ich mal gespannt, ob ich finanziell ungeschoren aus der Sache herauskomme, oder wie Lothar aus Halle (die Höhe meiner Rente entspricht ziemlich genau seiner) mit einer saftigen Geldstrafe daran erinnert werde, dass hierzulande der Standpunkt der Regierung und der NATO gilt und sonst keiner.