Wie man Antifaschismus falsch versteht

(Kommentar zu einem Posting, in dem mal wieder die bewusstlose Warnung vor AfD-Wahlerfolgen als erster Schritt in den Faschismus ausgesprochen wird)

Die rechts-bürgerliche Partei AfD als Faschisten und als Nazis zu bezeichnen und sie mit der NSDAP zu vergleichen, ist erstens Unfug und zweitens eine gefährliche Faschismus- und Holocaust-Verharmlosung.

Unfug, weil die Partei in all ihren Äußerungen, programmatischen Erklärungen usw. nirgendwo eine Abschaffung des bürgerlichen Staates fordert. Sie will keine andere Gesellschaftsform bzw. ökonomische Ordnung als den neoliberalen Kapitalismus, den ALLE Parteien als Voraussetzung und Garanten für Deutschlands „Erfolg“ sehen – und ERFOLG buchstabieren sie ALLE als möglichst wuchtige Profitabilität des Kapitalstandortes. Eine Profitabilität, die der Staatsmacht die Mittel an die Hand gibt, beim imperialistischen Weltordnen „auf Augenhöhe“ mitzumischen.

Die AfD möchte das Ganze mit einem etwas völkischeren Zungenschlag gestalten, hat aber ansonsten weniger als nichts einzuwenden gegen die kapitalistische Verfasstheit der BRD. Übrigens auch nicht das BSW.

Worin sich beide Gruppierungen (wohltuend) vom Rest des Parteienhaufens unterscheiden, ist der Verzicht auf die offensive Russophobie, das Bemühen um gute Beziehungen bzw. die Wiederaufnahme der (Energie-) Partnerschaft mit Russland und der Wunsch nach Beendigung der Verwicklung Deutschlands in das amerikanische Ukraine-Projekt.

Außerdem gibt es bei AfD und BSW Schnittstellen bei der Kritik an der unkontrollierten Migration, die – als Folge der imperialistischen Mittäterschaft der deutschen Machthaber beim Destabiliseren und Zerstören arabischer und anderer Staaten – die Folgen der neoliberalen Konkurrenzgesellschaft in Deutachland für die Bevölkerung nur noch verschärft. Die Schnittmengen sind vorhanden, aber auch klar unterschieden, weil die eher faktische Kritik an den Migrationsfolgen, die das BSW übt, sich von den eher rassistischen Untertönen der AfD unterscheidet.

Als Letztes: das beständige Rumreiten auf dem Faschismusvorwurf gegen alles und jeden, der nicht dem Regierungsnarrativ zustimmt, macht eine wirklich Faschismusanalyse unmöglich. Es reduziert den Faschismus-Begriff auf eine unwissenschaftliche, gefühlig-moralische Verurteilung von Haltungen, die nicht die Billigung des liberalen zeitgeistigen Mainstreams finden und verschließt die Augen vor den ökonomischen Grundlagen sowohl von bürgerlicher Demokratie als auch von Faschismus:

BEIDES sind Spielarten einer Gesellschaftsordnung, deren herrschende Klasse diejenige ist, die das KAPITAL hat, das in kapitalistischen Staaten die gesellschaftliche Reproduktion organisiert, bestimmt und im wesentlichen PRIVATBESITZ ist.

So landen die „AfD Nazis!!“-Schreier wieder bei der Ideologie, die das ganze Elend der BRD-Nachkriegsgeschichte und ihre Bewältigung des Faschismus (den sie hartnäckig bei der Selbstbezeichnung des deutschen Faschismus als „Nationalsozialismus“ nennen) gekennzeichnet hat:

Alles bewältigt, nichts begriffen.

Alles Nazis außer uns: von der Umkehrung der Begriffe 

Von Ignazio Silone, einem  italienischen Schriftsteller, ist das Zitat überliefert „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: «Ich bin der Faschismus» Nein, er wird sagen: «Ich bin der Antifaschismus»“.

Wie prophetisch diese Voraussage war, sieht man in der BRD von 2024: Während die Kriegsregierung einen immer schärferen Kurs der Faschisierung fährt, bei dem im Zuge des Stellverteterkrieges gegen Russland und der als Klimaschutz inszenierten Verarmung der Bevölkerungsmehrheit die Gesellschaft zu einer angeblich „bunten“ und „diversen“ Volksgeneinschaft regierungstreuer Mitmacher formiert wird, gilt im amtlichen und medialen Narrativ umstandslos alles als „rechts“ (wenn nicht gleich als „Nazi“), was die Regierungspolitik auch nur anzweifelt.

Die Regierung bestellt sich inzwischen mit Hilfe ihrer eingebetteten Medien ihre eigenen, als Demonstrationen firmierenden, Aufmärsche, deren vage Losungen („…. bekennt Farbe“, „Gegen Rechts!“, „…. bleibt bunt!“) so beliebig wie verlogen sind, aber immer den Regierungsstandpunkt propagieren.

Gleich zwei Artikel auf RT deutsch (auch dieses Portal dürfte im neudeutschen Staatssprech zumindest als „rechtsaffin“ – weil russisch, also „Putin-Propaganda“ – gebrandmarkt sein) nehmen sich dieses erstaunlichen Phänomens an:

1)

„Remigration und AfD-Verbot: Café Latte und Widerstandskämpfer“
von Tom Wellbrock:

„Früher war Widerstand gegen den Faschismus eine Angelegenheit weniger Leute, die den Mut aufbrachten, sich gegen Unmenschlichkeit zu wehren. 

Heute strömen verwöhnte Café-Latte-Genießer zwischen Starbucks und McDonalds auf die Straße und fühlen sich wie Sophie Scholl. Dabei übersehen sie, dass sie sich so verhalten wie die, gegen die die früheren Widerstandskämpfer aufbegehrt haben.“

https://freedert.online/meinung/192835-remigration-und-afd-verbot-cafe

2)

„Bürger auf der Straße: Von Demonstrationen, Aufmärschen und verkehrten Begriffen“ von Dagmar Henn:

„…was (…) von den Nazis gern und reichlich genutzt wurde, waren Demonstrationen, die von der staatlichen Gewalt mit organisiert und gestützt, aber als Bekundung des „gesunden Volksempfindens“ dargestellt wurden, die den Zweck verfolgten, politische Grenzen zu überschreiten. Darunter finden sich beispielsweise die Bücherverbrennungen des 10. Mai 1933, die ebenso „spontaner Ausdruck berechtigten Volkszorns“ sein sollten, wie die Pogrome vom 9. November 1938. Diese Methode, sich gewissermaßen selbst die gewünschte vermeintliche Zustimmung der Bevölkerung zu inszenieren, findet sich in der deutschen Geschichte nur bei den Nazis.

Leider müsste man ehrlicherweise schreiben, „fand sich“. Das, was am Sonntag in Potsdam stattfand, war eine politische Handlung von genau dieser Sorte: eine rein affirmative, von der Exekutive organisierte und gestützte Veranstaltung, die den Zweck verfolgte, den Schwung zu verschaffen, um mit dem Verbot einer 30-Prozent-Partei eine politische Grenze zu überschreiten. Da war es wieder, das „gesunde Volksempfinden“, diesmal in einer Camouflage „gegen Rechts“, sozial und kulturell aber eine Neuauflage der „spontanen Studentendemonstration“ des Mai 1933.“

https://freedert.online/inland/192824-von-demonstrationen-aufmaerschen-und-verkehrten/

Montagmorgengedanken

Irgendwo hab ich gelesen, der historische Fehler Russlands sei die Annahme, dass der Faschismus mit dem deutschen und italienischen Faschismus beendet oder auf diese beschränkt wäre.

Ich glaube nicht, dass dies so ist – jedenfalls nicht mehr heute, wo Russland sich in einem neuen Vaterländischen Krieg gegen den anstürmenden Faschismus, dessen Ziel erneut die Vernichtung Russlands ist, zur Wehr setzen muss.

Ein Körnchen Wahrheit steckt aber drin. Sicher war Russland lange Zeit zu naiv, zu vertrauensselig, zu hoffnungsvoll in Bezug auf die Absichten des westlichen Imperialismus. Wohl auch durch den historischen Rückschritt zum in der Oktoberrevolution bereits abgelösten alten Gesellschaftssystem wurde die Illusion genährt, Russland könnte als kapitalistischer Staat, sozusagen mit seinesgleichen, zu einem normalen geschäftlichen Umgang gelangen.

Der historische Fehler besteht mindestens in demselben Maße auf Seiten der westlichen Linken, die sich bereitwilligst einspannen lassen in die modernisierte, demokratisch angepasste Version eines regenbogenbunten Wertefaschismus, der – wenn man das wertewestliche Wortgeklingel abstreift – ganz genau dieselbe russophobe Auslöschungslust propagiert wie die historischen Vorgänger, und der in den ukrainischen Banderisten die passenden und willigen Vollstrecker dieser Ideologie gefunden hat.