Ohne das große Mitgefühl entstehen zu lassen besteht die Gefahr, dass du in den Nihilismus verfällst


Von Augenblick zu Augenblick und ohne jede Rast kommt der Tod näher und näher. 

Wer Tod und Vergänglichkeit verinnerlicht, wird alle Eigenschaften erwerben, die man auf dem Weg der Befreiung braucht: Du wirst die Vorstellung, dass der Körper mit einem »Selbst« ausgestattet ist, verlieren und erkennen, dass Zerstreuungen nichts anderes als Dämonen sind und begehrenswerte Objekte nur zur Täuschung führen. 

Leben ohne Leiden gibt es nicht. Alter, Krankheit und Tod sind unvermeidlich. In allen Existenzbereichen gibt es nur einen endlosen Kreislauf des Lebens, in dem die Wesen gefangen sind. In allen sechs Seinsweisen gibt es nichts, das über den endlosen Kreislauf von Werden und Vergehen hinausreicht, in dem die Wesen von den Wellen ihrer eigenen geistigen Gifte und widerstreitenden Emotionen in einem wahren Ozean des Leidens hin- und hergeworfen werden.

Es genügt nicht, dass du nur die unkonditionierte Leerheit deines Geistes erkennst – ohne das große Mitgefühl entstehen zu lassen besteht die Gefahr, dass du in den Nihilismus verfällst. Deshalb ist es notwendig, dass du über die Einheit von Leerheit und Mitgefühl meditierst.

Padmasambhava (Guru Rinpoche), 8./9. Jhdt. christlicher Zeitrechnung

Geschichten aus dem Pflegeheim: Geburt und Tod sind ungemein trügerisch

Heute saß ich eine ganze Weile bei einer sterbenden Bewohnerin der Pflegeeinrichtung, in der ich arbeite. Alle vier Stunden bekommt sie eine Morphiuminjektion gegen die Schmerzen. Sie ist bei klarem Verstand, ansprechbar und bekommt alles mit.

In der Sterbephase verschwinden alle Beschäftigungen mit „weltlichen“ Angelegenheiten. Der Geist beginnt, sich vom Körper zu lösen und die Person weiß in der Regel, dass sie nicht mehr lange im Körper sein wird.

Alles Äußere wird unwichtig, nur die eine Frage zählt: gehe ich mit Angst und in Panik aus dieser Welt, überwältigt von dem unbekannten Geschehen, oder nehme ich das, was mit mir passiert, als natürlichen Ablauf der Dinge an.