Die zwei Brüder: keine Fußabdrücke im blauen Himmel

Vor langer Zeit lebten zwei Brüder in einem magischen Land namens Hammaburgia. Wenn die Mutter sie in den Laufstall setzte, rüttelte der Ältere an den Stäben, der Jüngere jedoch saß brav da und spielte mit seinen Holzautos. Wenn es regnete, ging der Ältere hinaus, der Jüngere aber versteckte sich in einem Karton, weil es ihn vor dem Wetter gruselte.

Bei den häufigen Ballspielen der Dorfknaben zeigte der Jüngere eine Geschick, das ihn vor allen anderen auszeichnete und zum gefragten Mitspieler jeder Mannschaft machte. Wenn er sich auch sonst überall versteckte aus lauter Furcht vor Gewitter, auf dem Ballplatz war er so sichtbar wie kaum einer.

Der Ältere verstand sich dafür auf den Umgang mit Stift und Pinsel und erschuf auf dem Papier manch groteske Moritaten, die die Dörfler zum Lachen brachten, so dass ihm eine einträgliche Zukunft als Hofmaler des Fürsten oder, wenn das nichts würde, Schildermaler für Marketender und fahrende Händler prophezeit wurde.

Alles kam jedoch anders, das Schicksal hatte ihnen Irrungen und Wirrungen zur Prüfung auferlegt. Die Wege der Brüder führten mal hier, mal dort hin; zu einem Zeitpunkt durchwanderten sie ferne Länder, ein anderes Mal folgten sie einem falschen Propheten, der ihnen das göttliche Eldorado versprach. Immer wurden sie getrieben von der Suche nach dem Gral und von der Not, in der Welt ein Geld verdienen zu müssen.

Sie kosteten von Zauberkräutlein aus verschiedener Herren Länder, sie bereisten die schimmernden Hochebenen der Freude und die tiefsten Abgründe des Kummers und wurden darüber älter und älter, denn, wie die Alten sagten: jünger werden wir nicht!

Es verging ein Jahr ums andere, ein Jahrzehnt ums nächste. Am Ende ihres Lebens ließen sie sich an verschieden Orten des magischen Landes nieder, freiten anmutige und bodenständige Mägdlein und führten ein unauffälliges, aber gottgefälliges Leben unter den Dörflern. Diese ahnten nicht, welch wundersame Reisen und Abenteuer die Brüder erlebt hatten, wunderten sich nur manchmal über die seltsamen Lieder, die aus ihren Behausungen erklangen.

Nichts blieb ihnen von all diesen Reisen und Abenteuern als zwei magische Stifte. Damit vermochten sie Portale zu öffnen in Welten und Zeiten, die nie ein Mensch betreten und die keine Seele je gesehen hatte. Dies war, bei aller äußerlichen Bescheidenheit, der wahre Schatz der Brüder, und so gedachten sie, den Rest ihrer Tage zu verbringen, auf dass Zufriedenheit und Heiterkeit bei ihnen und den ihren herrsche.

Ob ihnen das gelang, wissen nur die Götter, denn die Brüder hinterließen keine Fußabdrücke im blauen Himmel.

Gespenstische KI

In einem Moment nostalgischer Erinnerung an meine Kindheit in Hamburg fällt mir mein Großvater mütterlicherseits ein. Er fuhr als einer der ersten in der Familie ein eigenes Auto, einen Borgward Arabella. Für uns Kinder war er schon deswegen eine bewunderte Person, und es brachte ihm (zur Abgrenzung von dem Großvater väterlicherseits) den Namen „Opi Bella“ ein.

Dank heutiger KI-Möglichkeiten kann man ja Erinnerungsbilder mehr oder weniger akkurat aus dem Gedächtnisspeicher des Großhirns in eine artifiziell erzeugte Visualisierung transferieren, sofern man einen einigermaßen präzisen „Prompt“, eine entsprechende Beschreibung, eingibt.

Was ich auch tue. Meine Eingabe an die KI-Software Stable Diffusion von Dreamstudio.ai lautet (mit der KI muss man englisch sprechen): „Hamburg in the 1960s, Social housing block, staircase, a grandfather with Prinz-Heinrich-cap, door of a family, two boys of 6 and seven years, Arabella car“

Das Ergebnis ist fast deckungsgleich mit meinen Erinnerungen. Mein Bruder und ich, das Auto, unser Großvater (der Mann rechts, im braunen Mantel), nur die Prinz-Heinrich-Mütze fehlt, da war die KI wohl überfragt oder überfordert. Der Hauseingang unseres Sozialwohnungsblocks sieht ziemlich exakt so aus, wie ich ihn in Erinnerung habe. Das Gespenstischste: der Mann im braunen Mantel sieht tatsächlich unserem Großvater Max Todt ziemlich ähnlich.

Bilder:
1) KI-generiertes Bild auf Grundlage des Prompts (oben)
2) Foto von Max Todt und antifaschistische Genossen des Strafbatallions 999
3) Foto Max Todt

4) Borgward Arabella

Kindheit in Hamburg

Kindheit in Hamburg 1

Auf der Rasenfläche vor den Mietwohnungsblocks in der Amandastraße, Nähe Schlump, spielten wir unsere Kinderspiele. Neben Cowboy-und-Indianer waren das Versteckspielen, Klingelstreiche und die Versuche, beim Schlachter eine Wurst zu erbetteln, außerdem Mutproben wie Regenwürmer essen. Vor allem aber spielten wir Fußball.

Hier hier segnete mein brandneuer, zum achten Geburtstag erhaltener Lederfussball das Zeitliche, als er bei seinem ersten Einsatz auf die verkehrsreiche Hauptstraße „Am Schulterblatt“ geschossen und dort von einem Auto platt gefahren wurde – ein traumatisches Ereignis meiner Kindheit.

Kindheit in Hamburg 2

Unser Großvater nahm meinen Bruder und mich gerne mit in den Hamburger Hafen an die Landungsbrücken, wo wir den Barkassen, Schleppern, Hafenrundfahrtsschiffen und dem sonstigen Treiben im Hafen zusahen.

Am Anlegesteg zeigte er in das Wasser hinunter und erzählte uns von dem Haifisch, der hier wohnte. Dazu sang uns das Lied von Mackie Messer aus der Dreigroschenoper vor. Davon war ich aufs äußerste beeindruckt, sowohl vom Haifisch mit den Zähnen im Gesicht wie von dem gemeinen Verbrecher Mackie Messer.

Wir (ich jedenfalls) waren noch sehr lange davon überzeugt, dass der Haifisch genau hier a den St. Pauli Landungsbrücken zu Hause war.bei