Rede Wladimir Putins zur Eingliederung der vier neuen Regionen Russlands

Die historische Rede des russischen Präsidenten anlässlich der Feier zur Eingliederung der vier neuen Gebiete Russlands sollte jeder gelesen haben. Vollständig.

Die Rede markiert in mehrfacher Hinsicht einen Wendepunkt und Scheideweg in Bezug auf das Verhältnis Russlands zum Westen. Und sie macht deutlich, in welchem Ausmaß sich Russland von allen Versuchen verabschiedet hat, mit dem imperialen westlichen Anspruch auf Hegemonie einen Modus Vivendi zu finden.

Zudem macht Putin die Unterschiede deutlich, die die russische Welt von der dekadenten, kriegslüsternen, räuberischen „Zivilisation“ des kollektiven Westen trennt.

Hier die vollständige Übersetzung von Thomas Röper vom „Anti-Spiegel“:

Der „Putin“- ein Dämon geht um. Hinweise zum Erhalt des Seelenheils.

Ein Gespenst geht um in Europa, vor dem alle alten Mächte erzittern, aber diesmal ist es nicht der Kommunismus, keine Idee, keine Ideologie, keine politische Theorie – sondern eine einzelne Person, die zufällig auch noch Präsident eines großen Landes ist.

Des größten Landes der Welt, um genau zu sein.

Vielleicht ist dieser einzelne Mann deswegen – wegen der schieren Größe seines Landes, das eben auch einen komplementär großen Superschurken hervorbringt – ein solcher Tausendsassa, dass er scheinbar überall gleichzeitig sein kann und dort (also überall) jede Schandtat begeht, jede Bosheit ausübt und jedes Verbrechen verübt, dessen Menschen überhaupt fähig sind.

Das Erzittern erfasst übrigens vor allem, wenn nicht ausschließlich, die Bürger der paar Länder, die in NATO, EU und USA organisiert sind und ca. 15% der Weltbevölkerung ausmachen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass vielleicht nicht jeder einzelne Bürger vor dem „Putin“ genannten personifizierten Bösen erzittert, sind ca 1 Milliarde erzitternder Erdenbürger eine stattliche Anzahl.

Dieser „Putin“ also, dem Vernehmen nach Präsident einer „Russischen Föderation“, ist schlichtweg für ALLES verantwortlich, was auf dieser ansonsten vorbildlich demokratisch geordneten Welt schief läuft. Und zwar direkt, persönlich, unmittelbar und individuell verantwortlich!

ER, und er allein, „greift die Ukraine an“, „führt einen verbrecherischen Angriffskrieg“, „fackelt das Gas ab, das für Deutschland bestimmt ist“, „plant die Wiederherstellung der Sowjetunion“, „verfolgt jede Opposition in Russland“, „dreht uns den Gashahn ab“, „setzt Energie (Getreide, Rohstoffe) als Waffe ein“ usw.

Auffällig in all den Medienmeldungen über diesen „Putin“ ist die ausschließliche Fokussierung auf ein einzelnes Individuum. Es scheint in Russland keine Regierung zu geben, keine Führung, kein Parlament, keine Wahlen, kein Entscheidungsgremien, im Grunde überhaupt nichts, was man aus der Welt der regelbasierten Ordnungen kennt. Dort, in jenem schrecklichen, viel zu großen, viel zu mächtigen Reich des „Putins“ regiert nur ein einziger, einzelner Mann von schier unglaublicher Machtfülle: der „Putin“!

Er, und nur er, sorgt für die Plagen, die das friedliche kollektive Westland dies- und jenseits des Atlantiks heimsuchen. Unsere Politiker, unsere Medien, unsere Bürger wissen genau Bescheid, dass dieser „Putin“ persönlich in unserer Ukraine und weltweit meuchelmordet und wie ein russischer Rambo jeden einzelnen der freiheitlichen Verteidiger des vorbildlichen Kiewer Staatswesens eliminiert. Und das nur, weil die Freiheitskämpfer, in ihrer naiven Freiheitsgläubigkeit, sich ein paar harmlose Hakenkreuze und SS-Symbole eintätowiert haben, deren Bedeutung der „Putin“ in seinem wahnhaften Vernichtungsdrang böswillig falsch interpretiert!

Deswegen ist es aus westlicher Perspektive völlig gerechtfertigt und dringend geboten, im Falle des derzeit tobenden Endkampfes Gut gegen Böse das Böse auch erstens so zu benennen und zweitens zu personifizieren. Nämlich im „Putin“, der Chiffre für das schlechthin Diabolische, Dämonische, ganz und gar Entmenschlichte, eben unfassbar BÖSE.

So kommt die gute europäische Tradition des Autodafé wieder zu ihrem angestammten Recht und wir können – nein, wir MÜSSEN! – inquirieren, inwieweit einzelne Mitbürger vielleicht schon vom „Putin“ infiziert und somit ihre Seelen verloren sind. Eine solche Inquisition ist schon deswegen erforderlich, weil ohne sie unser Zusammenhalt zerrüttet wird und unsere WERTE im Arsch sind.

Auch dafür sorgt nämlich der „Putin“: er zersetzt eigenhändig, mit seinen zahllosen Desinformationskanälen, das erfreulich friedliche und demokratische, nachgerade paradiesische Zusammenleben, dessen wir uns hier erfreuen. Und das beruht bekanntlich auf WERTEN. WELCHE Werte das sind, muß uns gar nicht so genau klar sein; es reicht, wenn wir wissen, dass sie natürlich ganz viel Demokratie und Freiheit, und neuerdings auch Diversität, beinhalten.

Die zeitgemäße Form der Bekreuzigung ist folglich zum einen die Dingfestmachung allen Übels dieser Welt an und in einer einzigen Person, dem „Putin“. Zum anderen gehört es sich für den rechtgläubigen Demokraten, bei Erwähnung des „Putins“ unbedingt die Beschwörungsformel „verbrecherischer, durch nichts gerechtfertigter Angriffskrieg!!“ aufzusagen. Am besten mehrfach. Dadurch werden die dämonischen Mächte gebannt, die ahnungslose Bürger durch heidnisches sogenanntes „Nachdenken“ zu ketzerischen Verstößen gegen das Gebot demokratischer Rechtgläubigkeit verleiten.

Pepe Escobar fass die Putin-Rede auf dem St. Petersburg International Economic Forum zusammen

Ich weiß nicht, wer hier in der Filterblase die Rede Putins auf dem St. Petersburg International Economic Forum (SPIEF) gesehen hat.

Ich jedenfalls war (mal wieder) einigermaßen beeindruckt von der kenntnisreichen, faktischen und sehr unaufgeregten und selbstbewussten Art, in der der russischen Präsident die Verhältnisse beschrieben hat.

Die Einordnung von globalen politischen Veränderungen in einen historischen Gesamtzusammenhang und die Fähigkeit, dies gleichzeitig einfach, aber nicht simplifizierend zu beschrieben, erinnert an den chinesischen Präsidenten.

Kein westlicher Führer hat dem russischen Staatsschef vergleichbare Bildung, Eloquenz, Redebegabung und intellektuellen Überblick entgegenzusetzen. Die Rede Putins auf dem SPIEF kann wohl jetzt schon als historisch bezeichnet werden. In ihr umreißt er die Konturen der Weltordnung, die sich durch das Ende der US-Hegemonie und der wertewestlichen „regelbasierten Ordnung“ zu bilden beginnt, mit Russland und China als Schwerpunkten – aber nicht als Hegemone, sondern als gleichberechtigte Partner der Staaten, die die Mehrheit der Weltbevölkerung vertreten, in einer multipolaren Welt.

Das Viertel der Weltbevölkerung dagegen , das sich unter der Herrschaft des ehemaligen hegemonialen Blocks des Wertewestens befindet – der US-EU-NATO-Block – wird die aussichtslosen Bemühungen seiner politischen Führungen um das Überleben der westlichen Hegemonie und die Fortführung des wahnsinnigen Sanktionskrieges teuer bezahlen.

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Gute Zusammenfassung der wesentlichen Punkte der Rede des russischen Präsidenten, von Pepe Escobar:

„DIE NEUE ÄRA

Top Ten Übersicht – wie von Putin angekündigt

Die Ära der unipolaren Welt ist vorbei.

Der Bruch mit dem Westen ist unumkehrbar und endgültig. Kein Druck des Westens wird daran etwas ändern.

Russland hat sich mit seiner Souveränität erneuert. Die Stärkung der politischen und wirtschaftlichen Souveränität ist eine absolute Priorität.

Die derzeitige Krise zeigt, dass die EU nicht bereit ist, die Rolle eines unabhängigen, souveränen Akteurs zu spielen. Sie ist nur ein Ensemble amerikanischer Vasallen, die jeglicher politisch-militärischer Souveränität beraubt sind.

Souveränität kann nicht partiell sein. Entweder ist man ein Souverän oder eine Kolonie.

Der Hunger in den ärmsten Ländern wird der Westen und die Euro-Demokratie auf dem Gewissen haben.

Russland wird Getreide nach Afrika und in den Nahen Osten liefern.

Russland wird in die interne wirtschaftliche Entwicklung und die Neuausrichtung des Handels auf von den USA unabhängige Nationen investieren.

Die künftige Weltordnung, an der derzeit gearbeitet wird, wird von starken, souveränen Staaten gebildet.

Der Zug ist abgefahren. Es gibt kein Zurück mehr.“