
Auf X fragt ein enttäuschter und empörter Demokratie-Fan angesichts all der offenkundigen Einschränkungen demokratischer Rechte, der Annullierung von Wahlen, der juristischen Verfolgung unliebsamer Kandidaten etc. rhetorisch in die Runde:
„Ist das noch unsere Demokratie oder ist das IHRE?“
Ich sah mich zu einer Antwort veranlaßt:
Das ist die Demokratie, auf die kapitalistisch konditionierte Untertanen nichts kommen lassen wollen – egal wie oft sich ihr IDEAL einer repräsentativen, einzig der Menschennatur entsprechenden Regierungsform immerzu an der REALITÄT von Klassengesellschaft und Bourgeoisherrschaft blamiert.
DEMOKRATEN wollen auf diese perfekte Form bürgerlicher Herrschaft nichts kommen lassen.
Sie fordern von ihrer Obrigkeit die Erfüllung der Ideale ein, die demokratische Politiker den Bürgern zwar verkünden, aber nicht naiv genug sind, sie auch zu glauben.
Demokratische Politiker mögen diese Ideale vielleicht in Sonntagsreden beschwören, sind aber in der praktischen Ausübung ihrer Herrschaft über die Klassen- und Konkurrenzgesellschaft viel zu realistisch, um ihre Machtsusübung an irgendwelchen Idesken messen zu lassen.
Demokratische Untertanen wiederum werden daran nicht irre, sondern nehmen die kapitalistische Realität, die so offenkundig den Idealen der Sonntagsreden Hohn spricht, erst recht zum Anlass, auf ihren Idealen und ihrer guten Meinung von der Demokratie zu bestehen.
Damit sind sie die geeignete Manövriermasse ihrer demokratischen Führer. Diese bestätigen ihnen gerne diese gute Meinung von der Demokratie, schieben die ungemütlichen Begleiterscheinungen kapitalistischer Herrschaft auf die Regierung (sofern sie gerade in der Opposition sind) oder (sofern sie gerade an der Regierung sind) kreiden sie der Opposition an, die alles verbockt hat als sie noch Regierung war.
Wenn alle Stricke reißen, findet sich auch stets ein Fall höherer Gewalt (Klimakrise! Erderwärmung!!) oder ein äußerer Feind (Putin! China! Trump!! PUTIN!!!), der am zunehmend erschwerten und teureren Leben und dem „Niedergang der Demokratie“ schuld ist.
So sind alle Dinge in der Demokratie bestens geordnet:
Selbst die permanent Geschädigten dieser Herrschaftsform wollen auf keinen Fall von ihrem Lob der Demokratie ablassen – und ehe sie sich angesichts all der Katastrophen, Verarschungen und Zumutungen, mit denen ihre herrschende Klasse sie konfrontiert, sagen „Dann entmachten wir die eben, nehmen den Laden in die eigenen Hände und organisieren eine geplante und effiziente Ökonomie, die allen ein anständiges Leben ermöglicht!“, wählen sie bei der nächsten Wahl erneut Leute, von denen von vornherein klar ist, dass DAS, WAS NIE ZUR WAHL STEHT auch weiterhin unangetastet bleibt: der Kapitalismus und die Klassenherrschaft der Bourgeoise.
Demokraten unter sich eben.