Vor einiger Zeit hatte ich bei einem chinesischen Versandhandel für Gesundheitsprodukte namens “Limitless Light of Harmonious Happiness” aus Xizang (Tibet) einen Kräutertee bestellt: das laut Firmen-Website als Spitzenprodukt gepriesene “Himalaya Heights” versprach eine einzigartige Wirksamkeit gegen Bronchitis, Melancholie, Schlafstörungen und Fußpilz. Diese seltsame Kombination kam mir zwar merkwürdig vor, letztlich überzeugte mich aber der niedrige Preis. Ich dachte „Was soll der Geiz, im schlimmsten Fall schmeckt‘s nicht und hilft wenig, was kann man bei 7,98 Euro schon falsch machen…“
Nach etwa 15 Tagen erhielt ich die Sendung, ein unscheinbares Beutelchen aus dünnem Leinen, geruchsdicht in Plastik verschweißt. Kaum geöffnet, verstand ich die Maßnahme: ein intensiver Geruch von Yak-Dung und ranzigem Buttertee entströmte dem Inhalt. Der Begleitzettel enthielt folgende offenkundig maschinell übersetzte Instruktion:
- Auspacken und herzlicher Glück Wunsch Ihr freudiger Kauf liebe Herr und Frau Dame
- Dieser Tee wunder gemütlich wie Bergspitzen-Gehirn und Ozeantiefe, große Weite unendlich, bequeme Position
- In Pfeifenkopf, stopfe Geschicklichkeit unter 1 Gramm Teeprodukt
- Gemütlicher Rauch, bedächtige Handling; Herr und Frau Dame äußerst Zufriedenheit
Jetzt war ich so weit gekommen, jetzt wollte ich es wissen. Ich folgte den Anweisungen des Begleitzettels und rollte mir – in Ermangelung einer Pfeife – eine kleine Menge des Tees, gemischt mit etwas Tabak, zu einer Zigarette zusammen und rauchte es schnurstracks weg.
Kaum drückte ich die Reste des „Joints“ (so nennt man wohl diese selbstgedrehten Zigaretten mit Beimischungen) aus, fand ich mich in einer Parallelrealität wieder, die entfernt an das erinnerte, was ich über Tibet, Bhutan, Ladakh und die Himalaya-Region gesehen und gelesen hatte, wenn auch auf eine verzerrte, etwas schräge Art und Weise, so als ob alles in einem Wachtraum geschehen würde. Rituelle Schalmeien und Gebetsglocken waren zu hören, das Grunzen riesiger, zotteliger Yaks und der Geruch schwerer Räucherstäbchen drangen in meine geschärfte Sinneswahrnehmung ein und machten es mir unmöglich, zwischen Geruch, Klang und visuellen Eindrücken zu unterscheiden.
Meine Stimmung war gelöst, fast unbeschwert, alle Fährnisse dieser Welt schienen verschwunden. Ein Einheimischer (wer aber mochte „einheimisch“ in dieser Zwischenwelt sein??) ohne erkennbare Züge machte ein Polaroidfoto von mir und händigte es mir lächelnd aus.
Alles schien von allseitig beseligender Harmonie durchströmt, gleichzeitig aber wie auf Sand gebaut. Ich schaute genauer hin und bemerkte, dass jedes einzelne Korn dieses Sandes bis ins kleinste Detail seiner unglaublich farbenreichen molekularen Struktur sichtbar war, so dass jedes Sandkorn zu einem gewaltigen Felsen anwuchs, der mich zu erschlagen drohte.
Der Schreck drüber ließ mich „aufwachen“, wenn man es so nennen kann. Ich saß immer noch in meiner Küche, wo ich das Päckchen mit dem chinesischen Tee geöffnet hat. Mein treuer Hund blickte mich forschend an, fand aber nichts, was ihm interessant erschien und rollte sich wieder ein. Als ich die Firmen-Website aufrufen wollte, um Näheres über Herstellung und Eigenschaften des Tees in Erfahrung zu bringen, war nichts mehr zu finden. Hatte die Firma sich umbenannt? Hatten die Behörden den Server abgeschaltet? Hatte ich gar alles nur geträumt?
Ob ich ein weiteres Mal von dem Tee kosten werde, weiß ich jedenfalls noch nicht.