Journalist interviewt Politiker: Machthaber und ihre Verlautbarungsjournaille flippen aus, vernünftige Menschen erfreuen sich an einem seltenen Beispiel journalistischer Kompetenz und politischer Intelligenz

Ich will, bevor ich mich der Flut von Einordnungen, Kommentaren und (seitens der West-Medien) propagandistischen Hetze, Russophobie und Anti-Putin-Hysterie aussetze, schnell meine Eindrücke von dem Tucker Carlson Interview mit dem russischen Präsidenten notieren.

Gesehen habe ich einen gewohnt frisch daher fragenden Journalisten und einen Staatschef, der aufmerksam und konzentriert die Fragen beantwortete. Wladimir Putin wirkte hellwach und topfit. Er war freundlich im Umgang mit Tucker, musste öfters lachen, erklärte gelegentlich, warum er bei bestimmten Themen ausführlicher ausholte, und ließ sich in keiner Sekunde das Heft der Gesprächsführung aus der Hand nehmen.

Die erste halbe Stunde bestand aus einer Lehrstunde in russischer Geschichte (von der die Ukraine ein Teil ist), die deutlich machte, welch umfangreiche historischen Kenntnisse und Einschätzungen Putin zur Grundlage seines Handelns macht. Der russische Präsident ist ein Meister der Kommunikation, der Sachverhalte nicht simplifiziert, aber nachvollziehbar darlegt und begründet.

Im Vergleich zu den plumpen, platten Propagandasprechblasen westlicher Machthaber ist es einer Wohltat, Putin zuzuhören und seine Ausführungen, Schilderungen und Anekdoten zu lauschen. Man fühlte sich an keiner Stelle, wie durch die ewig gleichen bellizistischen Worthülsen wertewestlicher Kriegsherren, in der eigenen Intelligenz beleidigt, sondern war dankbar für zwei Stunden politisch-historischen Diskurses über eine Welt in Veränderung und über Russlands Sicht darauf und Rolle darin.

Inhaltlich werden Putins Bemerkungen an vielen Stellen für westliche Herrscher schmerzhaft sein, da sie deren katastrophale Fehleinschätzung der russischen Widerstandskraft gegen den Sanktionskrieg und die fortdauernde Unterstützung des Kiewer Regimes bloßstellen. Der Präsident unterstreicht den russischen Willen zu Gesprächen und Verhandlungslösungen, die von Washington und von Kiew abgelehnt und verweigert werden. Und er legt den Finger in die Wunde des selbstgewählten ökonomischen Abstiegs des kollektiven Westens durch die Konfrontation mit Russland. Putin wiederholt, was verständigen Menschen mit Kenntnissen in Geschichte und Geopolitik ohnehin klar ist: Russland hat diesen Krieg nicht begonnen, es BEENDET gerade einen Krieg, der 2014 begann und der in vielen Zügen Aspekte eines Bürgerkriegs hat.

Einen wichtigen Hinweis gab Putin in seiner Antwort auf die Frage, ob die russischen Kriegsziele in der Ukraine erreicht wären. Er verneinte diese Frage mit der Bemerkung, dass die Entnazifizierung der Ukraine noch nicht vollzogen wäre – ein Beleg für die russische Einschätzung, dass in militärischer Hinsicht die Messe gesungen ist.

Insgesamt war dieses Interview von einer Qualität und von einem Kaliber, die mich zu hundert Prozent sicher machen, dass westlichen Politikern und ihren Medien nur eine Reaktion bleiben wird: erbarmungslose Herabsetzung, Verächtlichmachung und Hetze. Die geifernde Panik der westlichen Kommentatoren war ja sogar VOR dem Interview schon tsunami-gleich durch die westliche Medienwelt gerollt und wird sich jetzt nur noch potenzieren. 

Für mich der entscheidende und beeindruckendste Moment des Interviews war eine kleine Anekdote vom ukrainischen Schlachtfeld, die Putin am Ende erzählte. Darin wird deutlich, worin der Kern des ukrainischen Konfliktes als von USA und NATO entfachter Bruderkrieg besteht:

Eingekesselte ukrainische Soldaten werden von russischen Truppen aufgefordert, ihre Waffen niederzulegen und sich zu ergeben – dann würden sie überleben. Die ukrainischen Soldaten beantworten diese Aufforderung – auf Russisch, ihrer Muttersprache – mit dem Ruf „Russen ergeben sich nicht!“. „Sie sind alle umgekommen“, schließt der Präsident.

Das Aufbleiben hat sich gelohnt.