
Auf ihrem Weg zum Frühlingsfest der Tiere kamen Bär und Fuchs durch den magischen Wunderwald, wo sie immer wieder mal ein bißchen von den Pilzen knabberten, die dort wie Unkraut wuchsen. Da es ein magischer Wald war, handelte es sich natürlich auch bei den Pilzen um magische Pilze.
Nach einer Weile stellte der Bär fest, dass er die Buchstaben in dem Unterhaltungsroman, den er in der Pranke hielt, nicht mehr lesen konnte. Er wunderte sich nicht besonders darüber, da er sowieso noch nie lesen konnte. Worüber er sich wunderte, waren die vier Eulen, die sich auf verschiedenen Ästen der uralten Bäume niedergelassen hatten und die alle gleichzeitig – und durcheinander! – Gedichte aus der Eulenwelt rezitierten. Für den Bären hörte sich zwar alles mehr oder weniger nach „Huhu huhu“ an, aber weil es sich reimte, zog er den Schluss, dass es sich hier um Poesie handeln müsse.
Auch dem Fuchs war höchst wunderlich zumute; ihm war, als wären Helium-Ballons an seinem Körper befestigt, die ihn nach oben zogen. „Oho!“, rief er aus, „ich fühle mich, als würde ich schweben!“ Er versuchte, mit sachten Bewegungen die Richtung und Geschwindigkeit seines Schwebezustandes zu beeinflussen, aber dabei machte er eine eher komische Figur, die bei den Eulen ein deutlich lauteres und schnelleres „Huhu, huhu!“ hervorrief – und, so wollte es dem Fuchs scheinen, eine Lautverschiebung, die sich mehr nach „Haha, haha!“ anhörte als nach „Huhu, huhu!“. Er war sich aber nicht sicher, und während er noch allen Implikationen dieses unerhörten Vorkommnisses bis in die feinsten Verästelungen seines Gedankengeflechts nachspürte, waren die Eulen längst wieder beim klassisch-traditionellen „Huhu, huhu!“ angelangt – in der Eulenpoetik die Grundmetrik allen dichterischen Schaffens.
Schnell waren alle Gedanken an das Frühlingsfest verschwunden und eine erhabene Langsamkeit legte sich über die Gefährten und den Wald. Nicht nur die Zeit schien stillzustehen, sondern jeder Schritt, den Fuchs und Bär taten, vollzog sich in so unglaublicher Langsamkeit, dass ein Beobachter keinerlei Bewegung hätte feststellen können. Gleichwohl war die enorme Verlangsamung, der sie sich ausgesetzt sahen, von einer fröhlichen Leichtigkeit, die beide in einen Zustand vollkommener Zufriedenheit mit allen Dingen auf der Welt fallen ließ.
„Hier gehen wir nie wieder weg!“, sagte der Bär, und der Fuchs pflichtete ihm behaglich bei. Sie verbrachten viele Stunden an jener Stelle im Wald, erfreuten sich einer tiefen inneren Stille und lauschten der Eulenpoesie, die die vier geflügelten Weisheitskünder pausenlos deklamierten. Später aber wurden beide hungrig und sie gingen dann doch weiter, aber wieviel Zeit vergangen war, wussten sie nicht. Ob sie noch zum Frühlingsfest der Tiere gelangten, weiß man nicht, doch wenn, kamen sie bestimmt nicht pünktlich. Da Tiere sowieso kein Zeitgefühl haben, machte das aber gar nichts.