Im Israel-Palästina Krieg ist es genau wie im NATO-Russland-Krieg in der Ukraine: die Bösen haben aus heiterem Himmel ganz ganz böse Taten verübt, vor denen die Welt in Form von westlichen Medien und Politikern in geheuchelter Fassungslosigkeit steht.
So wie Putin eines Morgens aufwachte und spontan beschloß, zur Abwechslung mal die arme, unschuldige Ukraine zu überfallen, so haben sich stoppelbärtige muslimische Terroristen gestern entschlossen, mal wieder Terror gegen das arme, unschuldige Israel zu verüben.
Eine Vorgeschichte gibt es nicht, jahrelange (im Fall Palästina jahrzehntelange) Kriegshandlungen und Drangsalierungen der Palästinenser durch Israel oder der Russen im Donbas durch das Kiewer Regime interessieren und existieren nicht. Dafür menschelt es an allen Ecken und Enden; im Fernsehen werden Väter (israelische natürlich) gezeigt, deren kleine Töchter von den bösen muslimischen Stoppelbärtigen entführt wurden.
Der böse Feind ist das Schlechte an sich, er mordet und tötet aus purer Lust am Morden und Töten. Darum ist auch jede Gewaltmaßnahme gegen ihn nicht nur zulässig, sondern gebietet sich von alleine. Israel hält sich jedenfalls seit seiner Gründung an solche Gewaltmaßnahmen, da aus israelischer Sicht die Leute, denen man ihr Land weggenommen und sie zu Bürgern zweiter, dritter und vierter Klasse gemacht hat (wenn man sie nicht gleich in gigantische Elendslager wie das größte Freiluftgefängnis der Welt, den Gaza-Streifen, gesperrt hat) eine einzige Quelle von lästigen Störfaktoren des erfolgreichen israelischen Staatsgründungsprojektes und seines ebenso erfolgreichen Kapitalismus sind.
Der deutsche Fernsehkonsument weiß allerdings auch ohne menschelnde Propaganda für Israels Recht auf schrankenlose vorbeugende und rächende Gewalt gegen die Opfer seiner Siedlungspolitik, wo seine Solidarität zu liegen hat. „“Israel“ und „hat recht“ ist in seinem konditionierten Verstand ein- und dasselbe.
So kann der Bürger wieder die geordnete Welt genießen, die zwar immer wieder von unverständlicherweise gegen diese vernünftige Ordnung der Dinge aufbegehrenden Gewalttätern gestört wird, die ihm aber immerhin von seinen Politikern und Medien erklärt, eingeordnet und vermittelt wird, so dass er versteht, warum die überlegene Gewalt der Vertreter dieser Ordnung auf jeden Fall eine gute Sache ist und verteidigt gehört.
Dieselbe Lesart, die gleiche absichtlich kontext- und bewusstlose Erzählung liegt schon in der Schublade der Medien für den Zeitpunkt, an dem es endlich gegen China gehen wird. Dann werden wir erfahren, dass oberfiese (weil zu allem Überfluss auch noch kommunistische) Chinesen die guten, also unsere, Taiwanchinesen aus boshaftem Eroberungsdurst angegriffen und besetzt haben, weshalb wir ihnen unbedingt mit allen Mitteln, die unser Gewaltpotential so hergibt, zur Seite stehen müssen.
Wir werden dann weinende taiwanesische Mütter sehen, die schluchzend vor ihrem zerstörten Haus oder mit einem Bild ihres gefallenen Soldatensohnes gezeigt werden. Spätestens dann ist uns als folgsamen Westbürgern klar, das hier mal wieder die regelbasierte Weltordnung aufs Äußerste gefordert und zum erbarmungslosen Zuschlagen geradezu verpflichtet ist.
Glaubt ihr mir nicht? Wartet‘s ab.