Begegnung 1
Vorm Gemüsestand auf dem Wochenmarkt liegt ein mittelgroßer, langhaariger Hund am Boden und beobachtet die Umgebung. Seine Halterin, Typ feine Dame, ist ins Gespräch mit der Verkäuferin vertieft. Die Dame gehört erkennbar zu der in diesem Viertel überproportional ansässigen wohlhabenden Oberschicht: Edelklamotten, Echtschmuck, 800-Euro-Stiefelettchen, nur ganz dezent gesichtsoperiert.
Mein anarchistisches Gute-Laune-Hündchen (an der Leine) zerrt freudig zu dem Langhaarhund, in der Hoffnung, einen Kumpel aufgetan zu haben. Dieser will aber nicht in seiner Ruhe gestört werden, knurrt grimmig und stellt mit einem kurzen Beller die Machtverhältnisse klar.
Ich ziehe meinen Hund von dem anderen weg .
Die feine Dame hat den Vorfall registriert, mustert mich und Hündchen kurz und bemerkt dann so eiskalt wie herablassend: “Das macht man ja auch nicht!”
Ich (verdutzt): “Wie bitte?”
Feine Dame (nun sichtlich indigniert, dass man ihr Widerworte gibt): “Man geht nicht zu einem Hund, der so da liegt.”
Ich überlege kurz, ob ich mich auf eine Diskussion mit der Dame einlassen will, beschliesse dann aber, ihrer gehobenen gesellschaftlichen Einsortierung Tribut zu zollen und antworte mit einer leichten Verbeugung und den Worten: “Oh, vielen Dank für die Belehrung, Euer Durchlaucht!”
Begegnung 2
Mit Hündchen unterwegs zum Hunde-Schnickschnackladen des Viertels, wo ich eine Leine reparieren lassen will. Mein vierbeiniger Kumpel kennt den Weg und zerrt mich zielstrebig in Richtung seines Lieblingsladens.
Wir sind noch etwa 30 Meter entfernt, als vor dem Laden ein Porsche in eine freie Parkbucht einbiegt. Es entsteigt eine Dame mit einem zotteligen Kleinhund, die Hundehalterin auch hier mit Kleidung und Schmuck im vermutlich fünfstelligen Bereich behängt.
Im Laden selber lässt sie sich ausführlich über die Kauknochen beraten, da ihr Zottelhund “so Probleme mit Straußenknochen hat, das hat er noch vom Züchter; die machen ihm den Hals kaputt”. Schließlich kauft sie für ein paar Euro irgendwelche Pferdesehnen.
Beim Rausgehen fällt ihr eine frische Pieselspur innen neben der Eingangstür auf. Einer der beiden Hunde muss also gerade dort hingepinkelt haben.
Die Dame verzieht ihr Gesicht, rümpft die Augenbrauen und sagt: “Oh! Da hat ihr Hund wohl gerade hingemacht. Das macht man aber GAR nicht!”
Ich hab zwar nicht gesehen, WER da hingemacht hat (und es ist mir auch herzlich egal), aber weil mir hier schon wieder eine Bourgeois-Ziege erklären will, was “man” macht und was nicht, antworte ich wahrheitsgemäß:
“Tja. Das machen Hunde nunmal gelegentlich.”
Sie daraufhin: “MEINER nicht!”
Ich (schon leicht genervt): “Selbstverständlich nicht, gnä´Frau. Ihrer hat ja die hohe Hundeschule genossen.”
Sie (zieht beleidigt ab): “Auf Wiedersehen”.
Die Ladenkraft lacht, bringt mir eine Papierrolle und Hygienespray und in 5 Sekunden ist das kleine Malheur beseitigt.