Geschichten die das Leben schrieb: Halloween und die Brutglucken

Am Abend vor Allerheiligen wird seit zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren auch hierzulande ein Brauch gepflegt, der, aus Irland kommend, auf dem Umweg über die USA in Deutschland Fuß gefasst und allen möglichen Gewerbetreibenden willkommene Zusatzumsätze zwischen der Schützenfest- und der Adventssaison beschert: 

An Halloween verkleiden sich Kinder und Jugendliche möglichst gruselig, die Kleineren ziehen von Tür zu Tür und fordern „Süßes oder Saures“, die Größeren ergreifen die Gelegenheit, abends und nachts umherzuziehen, teenagergemäß „Spaß zu haben“ und potentielle Sexpartner zu beeindrucken, die Erwachsenen passen sich dem vergleichsweise neuen Brauch an, indem sie ausgehöhlte, beleuchtete Kürbisse und allerlei geisterhafte Deko vor ihre Häuser stellen.

Soweit, so lästig, vor allem für Hundehalter, deren Vierbeiner derlei lauten Spuk als Aufforderung sieht, die merkwürdig gewandete, umher rennende und zappelnde Beute zu verbellen und nach Möglichkeit zu zwicken. In Oberkassel, dem Düsseldorfer Oberschichtsstadtteil mit der höchsten SUV-Dichte und den gefühlt schnöseligsten neureichen Besserverdienenden Deutschlands, liegt die Sache anwohnerbedingt nochmal anders, nämlich übler:

Scharen von Helikoptereltern bringen ihren kostümierten Nachwuchs in ihren übermotorisierten Protzkarossen oder mit dem Lasten-E-Bike (also das grüne Kern-Klientel) zu offenbar vorab vereinbarten Treffpunkten, von wo aus die lieben Kleinen dann lautstark und gruppenweise ihre Betteltour starten und die Anwohner nerven. 

Die Frau und ich, zusammen mit dem Zottelkumpel auf der abendlichen Hunderunde, navigieren so gut es geht zwischen den Pulks von Miniatur-Hexen, -Dämonen, -Geistern und -Zombies, indem wir jeweils die Straßenseite wechseln, wenn uns wieder ein Grüppchen entgegenkommt. Auf einer Freifläche zwischen den edlen Apartmentblocks des Oberkasseler Neubaugebietes (Wohnungspreise ab 1 Mio Euro aufwärts) können wir auf einem der breiten Gehwege zwischen den Rasenflächen etwas aufatmen, auch der Hund beruhigt sich wieder.

Doch nun kommt uns mit einem spukmäßig beleuchteten Lasten-E-Bike eine der reproduktionsfreudigen Jungmütter entgegen, die sich schon deshalb für progressiv, nachhaltig und anti-faschistisch halten, weil sie die Kinder mit dem Fahrrad statt mit dem Porsche-SUV zum Kinderhort an der Ecke bringen und einen „FCK AFD“ Aufkleber auf ihrem Gefährt haben. Mein Hund nimmt die Erscheinung als Bedrohung wahr und wirft sich in die Leine, um die beleuchtete Zumutung ordentlich anzukläffen.

Das erschreckt die Radfahrerin so, dass sie kurz schwankt – wir sind etwa drei gefahrlose Meter von ihr entfernt – und uns wütend ankeift: „Geht‘s noch?! Passt mal auf euren Hund auf!!“. Schon ist sie, elektrisch verstärkt, weitergefahren und um die nächste Ecke verschwunden. 

Während ich noch bedaure, ihr kein geistesgegenwärtiges „Halloween, Alte!“ zugerufen zu haben, lässt sich die Frau vernehmen: „Nimm mal den Hund kürzer. Diese Weiber sind nicht zurechnungsfähig. Statt dass die einfach weiterfahren, müssen diese Brutglucken losschimpfen…“

Meine Freude über den schönen Begriff „Brutglucken“ für das grün-liberale urbane Deppenpack vertreibt sofort jedes Bedauern über verpasste Gelegenheiten zu einem fiesen verbalen Gegenschlag und wir beenden die Runde in der Gewißheit, ganz bestimmt keiner dieser Nervensägen die Tür zu öffnen, falls die bei uns klingeln sollten.