Eine Geschichte aus einer anderen Zeit

Es war einmal ein Deutschland, in dem trotz unerfreulicher Zeiten das Volk ohne weitere Störungen vor sich hin leben konnte. Wer in der Öffentlichkeit nichts gegen Staat, Regierung und Politik sagte, konnte sein Leben wie gewohnt weiter führen – und genau das wollten und machten die meisten Bürger auch.

Wenn ihnen überhaupt auffiel, dass das geistige Klima immer stickiger wurde, das abweichende Meinungen immer mehr abgeschaltet und bestraft wurden, dann war es ihnen egal oder sie zogen es vor, es nicht zur Kenntnis zu nehmen. Man konnte ja sein Leben einigermaßen bequem weiterleben, solange man sich „aus der Politik“ raushielt.

Wer sich daran nicht hielt und mit Kritik am Kurs von Staat und Regierung auffällig wurde, galt als Agent des Feindes und wurde entsprechend zur Rechenschaft gezogen. Der Feind war das Böse schlechthin, und sein Anführer ein Dämon in Menschengestalt. Deswegen musste gegen den Feind ein vollkommen gerechter Krieg geführt werden.

Alle paar Monate wurde irgendein Gesetz erlassen, dass noch schärfere Kontrollen und noch strengere Strafen für solche Abweichler vorsah. So wollte man verhindern, dass Feindpropaganda in die Köpfe der Bevölkerung gelangte. Selbstverständlich waren alle Zeitungen und Medien des Feindes verboten und selbst seine Zeichen und Symbole durften nicht gezeigt werden.

In den Medien machte sich eine Meinungsuniformität breit, die viele Leute abwinken oder resignieren ließ – oder sie verlagerten gleich ihre Informationsbeschaffung auf Feindsender.

Jede Regung von Kritik wurde von der Regierung als Aufforderung verstanden, noch härter dagegen vorzugehen und jetzt erst recht ihre Politik zu verfolgen. Und immer noch lebte der Großteil des Volkes mehr oder weniger zufrieden vor sich hin, meckerte manchmal, aber ließ „die da oben“ machen. Auf den öffentlichen Plätzen, in den Einkaufsläden und auf der Arbeit (dort besonders) behielten die Leute ihre Ansichten für sich. Besonders Gespräche über Politik waren ein Tabu, an das sich fast jeder hielt. Wer das nicht tat, musste schlimmstenfalls mit Arbeitsplatzverlust und, je nach Schwere seiner feindbegünstigenden Äußerungen, mit Geld- oder Gefängnisstrafen rechnen.

Die Gerichtsbarkeit befand sich, wie die Medien, in einer Art Dömmerschlaf bzw. einer ausgesprochenen Komplizenschaft mit der Macht; sowohl Justiz wie Medien sahen sich in erster Linie als Instrumente zur Verbreitung und Durchsetzung des politischen Willens der Machthaber.

Die meisten Bürger ließen sich davon ihren Alltag nur wenig verdrießen und freuten sich an ihrer Freiheit, Geld verdienen und in Urlaub fahren zu können. Sie wollten sich in ihrer Verfolgung ihrer kleinen (oder größeren) Wünsche und ihres Lebensglücks nicht von so etwas wie Politik und Krieg stören lassen.

So konnten die meisten es schließlich kaum glauben, als der Krieg im Osten, den ihre Politiker angezettelt hatten, eines Tages nach Deutschland zurück kam. Aber da war es zu spät.

Ja, das war ein merkwürdiges Deutschland, und ich weiß nicht so recht, welches Deutschland das nun war. Das von 1934 oder das von 2024?