Geschichten, die das Leben schrieb: Wie mir die AfD einmal fast sympathisch wurde

Auf dem Weg zur Arbeit höre ich ein Interview mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der AfD im DLF. Thema ist die Corona-Lage und die Maßnahmen dagegen bzw. die Kritik der AfD an diesen.

Der AfD-Mann spricht einigermaßen sachlich und sagt auch einige zutreffende Sachen; u.a. weist er darauf hin, dass im letzten Jahr tausende von Intensivpflege-Betten abgebaut worden sind oder dass die Grundprobleme des Gesundheitswesens wie Überlastung der Pflegenden usw. überhaupt nicht adressiert werden von den Politikern, die sich auf die Ungeimpften einschießen.

Der Interviewer dagegen fragt aggressiv, unterbricht immer wieder und benutzt einen Gesprächsstil, der geprägt ist von Unterstellungen, Fang- und Suggestivfragen sowie einer herablassenden, gänzlich unprofessionellen Art.
Man merkt ihm an, dass er sich hier im vollen Recht des Besitzers der einzigen Wahrheit stellvertretend für die demokratische Mehrheitsgesellschaft an dem AfD-Mann als Paria der Parteienlandschaft abarbeitet.

Sein Interviewverhalten geht so weit, dass er berechnend zynische Fragen stellt, die die Covid-Erkrankung eines ungeimpften sächsischen AfD-Parlamentariers zum Thema haben – erkennbar, um den Interviewpartner aufs Glatteis zu führen.

Erstaunlicherweise macht sich hier eine Umkehrung des Narrativs bemerkbar, den die Qualitätsmedien in Bezug auf die AfD verbreiten: Polemik und Hetze vom DLF-Journalisten, Fakten und Bemühen um Sachlichkeit auf Seiten des AfD-Mannes.

Der DLF-Mitarbeiter (ich mag ihn kaum „Journalist“ nennen) würde vermutlich keinem Politiker anderer Parteien derart rotzfrech und provokativ in die Parade fahren und ihn von vornherein als abzukanzelnden Lügner behandeln. Im Gegenteil, sollte dieser DLF-Mensch Politiker der Ampelparteien oder der CDU interviewen, bin ich sicher, dass er die übliche devote Gesprächsführung beherzigen würde, die Journalisten zu Stichwortgebern für die Sprechblasen der Interviewpartner macht.

Nur bei der AfD werden die Mitläufer der herrschenden Meinung mutig und trauen sich – im Gefühl auf der Seite des Stärkeren, der Mehrheit zu stehen – die Frechheiten, die sie sich bei den übrigen bürgerlichen Parteien nicht verkneifen müssen (weil sie ohnehin dieselbe Weltsicht teilen wir die Vertreter ihrer Obrigkeit), sondern die ihnen bei diesen gar nicht erst in den Sinn kommen.

Dass die protofaschistische bürgerliche Partei AfD auf diese Weise bei vielen Bürgern völlig unverdient in den Ruf einer ernstzunehmenden Oppositionskraft kommt, ist der Kollateralschaden solcher Hofberichterstattung.