Geschichten aus dem Pflegeheim: WLAN zum Skypen? Zu teuer für Alte.

Die meisten „Bunten Runden“ sowie die Arbeit in der „Tagesgruppe Demenz“ bestreite ich mit reichlich Improvisation, Spontaneität, viel Quatsch mit Soße sowie jeder Menge Bildern, Geschichten und Musik. Für die letzten beiden, besonders aber für die Musik, benötige ich Internetverbindung. Damit kann ich in Sekundenschnelle jedes Lied aufrufen und spielen, das im Hin- und Her der Interaktion mit den Bewohnern auftaucht, mir einfällt oder von meinen Zuhörern gewünscht wird.

Dass ich hierzu meine eigene Hard- und Software, also iPad und Apple Music Abo, verwende, ist die eine Sache (einen Bluetooth-Lautsprecher konnte ich immerhin der Einrichtungsleitung abtrotzen, nachdem ich zwei Jahre lang meinen eigenen mit ins Heim gebracht hatte). Das Internet läuft über das hauseigene WLAN, das mittels zusätzlicher WLAN-Verstärker auch in den Räumen abseits der zentralen WLAN-Quelle gut verfügbar ist. Auch die wenigen Bewohner, die Internet nutzen (maximal eine halbe Handvoll der 74 Leute), haben einen solchen Verstärker – vom Heim zur Verfügung gestellt – auf ihrem Zimmer.

Seit etwa zwei Wochen jedoch beobachte ich, dass die Endgeräte zwar alle mit dem WLAN-Verstärker verbunden sind und dieser auch Empfang anzeigt, doch die Signalstärke nicht ausreicht, um IRGENDWELCHE Websites oder -portale aufzurufen, geschweige denn Musik zu streamen. Frau L., eine Bewohnerin, die regelmäßig mit ihrer Verwandtschaft in Übersee skyped und dafür auf eine stabile und ausreichende Verbindung angewiesen ist, berichtet mir von demselben Phänomen: alle Endgeräte verbunden, Verstärker zeigt Funktionsfähigkeit an, aber kein Internetzugriff.

Als am Freitag der zuständige IT-Mann zu seiner wöchentlichen Visite ins Heim kommt, schnappe ich ihn mir und lege ihm das Problem dar. Ich vermute nämlich, er hat irgendwas an der Konfiguration der WLAN-Routers geändert, ein neues Passwort vergeben, das Heimnetz umbenannt oder so etwas.

Er hört sich meinen Report an, schaut mich traurig an und sagt:

Nein, das Einzige was ich geändert habe, ist dass ich das Datenvolumen drosseln musste. Anweisung vom Vorstand. Denen war die letzte Telefonrechnung zu hoch. Wir haben einen Businesskunden-Rahmenvertrag mit O2 für die gesamte Diakonie – und der Businesstarif ist teurer als der Privatkundentarif. Eigentlich müsste wir einen neuen Vertrag aushandeln. Jedenfalls musste ich alles drosseln und beschränken, um unter dem Datenlimit zu bleiben…

Ich bin erstmal sprachlos über den schäbigen, kleinlichen Geiz einer Institution, die mehrere Pflegeheime betreibt, wo jeder Bewohner mit bis zu 4000 Euro monatlich zur Kasse gebeten wird und die bekanntermaßen keine arme Einrichtung ist. Außerdem weiß ich, dass das Bereitstellen eines ausreichendem Internetzuganges zur Grundversorgung eines Pflegeheimes gehört, also behördlich gefordert ist. Das bestätigt mir auch der IT-Kollege, der einen schwachen Versuch macht, sich mit der Interessenlage seines Arbeitgebers zu identifizieren: „Ja, schon… die Rechnung war aber 6000 Eurohoch, das ist ganz schön happig. 60 GigaByte kosten 500 Euro, das ist wirklich teuer… und das geht halt schnell drauf für diverse Leute im Home Office.“

Ich erfahre noch, dass dieser Rechnungsbetrag für sämtliche Einrichtungen der Diakonie gilt, nicht bloß für unsere. Ich entgegne ihm: „Sag mal, spinnen die? Unsere Arbeit, jedenfalls die des Sozialen Dienstes, hängt teilweise davon ab, dass wir Internetzugang haben. Ich nutze jetzt schon seit Wochen mein eigenen Datenvolumen.. .Noch schlimmer ist, das Frau L. jetzt nicht mehr mit ihrer Tochter in USA skypen kann, weil die Herren vom Vorstand beschlossen haben, dass sie an uns und an den Bewohnern sparen..“

Der Kollege findet die Situation auch nicht schön. Er muß mir versprechen, wenigstens für den von Frau L. genutzten WLAN-Verstärker das Datenvolumen wieder hochzusetzen. Das reicht mir aber noch nicht und ich gehe erst mal bei den im Hause zuständigen Stellen rumstänkern über die neueste Fiesheit der so frommen wie kostenbewussten diakonischen Geschäftemacher. Zum Glück erfahre ich sowohl beim Sozialen Dienst wie bei der Einrichtungsleitung Verständnis und Unterstützung. Kollege B., der unseen Sozialen Dienst organisiert, schaut mich konsterniert an und bemerkt nur „Das ist echt schäbig. Die Diakonie ist reich genug!“ und vom Einrichtungsleiter höre ich „Grad vorhin war der Vorstand hier, schade das ich erst jetzt davon erfahre!“.

Es besteht also Hoffnung, dass die Knickerigkeit des lohn- und kostendrückenden Diakonie-Managements korrigiert wird. Trotzdem überlege ich kurz, ob ich die Zeichnungen vom gestrigen „Tagesgruppen“-Vormittag nicht plakativ zweckentfremden soll für eine satirische Botschaft gegen Geiz, Knauserigkeit und Schäbigkeit auf Kosten der Ärmsten und Bedürftigsten – wir kamen nämlich am Vortag aus irgendwelchen Gründen auf den Begriff „Ekel“ und sprachen über die Tiere, die uns am meisten Ekel einflößen.

Da ich aber nicht kurz vor der Rente noch gekündigt werden will, unterlasse ich das dann lieber. Eklig ist es aber allemal.