Geschichten die das Leben schrieb: der menschliche Störfaktor im Küchen-Reinraum

Hungrig von der Arbeit heimgekehrt, organisiere ich mir in der Küche die Zutaten fürs Abendbrot und bereite mir einen Teller allerleckerster „Bütterchen“, wie der Rheinländer sagt.

Nebenher fahre ich den Rechner hoch – als Niedriglöhner brauche ich die Einnahmen aus diversen kleinen Web- und Grafik-Nebenjobs, die ich nach und neben der regulären Lohnarbeit auf die Reihe zu kriegen versuche.

Als ich in die Küche zurückkomme, hat sich die Frau neben der Spüle aufgebaut und betrachtet mißbilligend meinen Abendbrotteller. Ihr kritischer Blick wandert vom Teller zur Spüle und wieder zurück. Sie sagt kein Wort. Allerdings ist ihr in unsichtbarer Leuchtschrift „Kannst du deine Krümel nicht wegmachen?!“ auf die Stirn tätowiert.

Im Geiste hat sie wahrscheinlich schon die genaue Anzahl der Krümel bestimmt und den Aufwand berechnet, den deren Beseitigung kosten würde – MICH, nicht sie, denn laut ihrer küchenhygienischen Perfektionistenphilosophie ist es erstens ein Leichtes, jedwede Küchenaktivität zu vollziehen ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, wobei zweitens diese Aufgabe nicht nur unmittelbar NACH irgendwelchen Koch-, Spül- oder Brotschmiervorgängen zu erledigen ist, sondern PARALLEL zu den Tätigkeiten, zu deren Erledigung man sich in die Küche begibt.

Ich fühle, dass ich jetzt mal etwas Grundsätzliches loswerden muss und erkläre: „Hast du eigentlich auch noch irgendwelche menschlichen Regungen in dir? Ist dir klar, dass dies eine KÜCHE ist, in der Menschen normalerweise sich um ihre Nahrungszubereitung kümmern und zu diesem Zweck mitunter Brote schneiden, die aufgrund ihrer Beschaffenheit dann auch mal KRÜMELN können? Manchmal hab ich das Gefühl, du nimmst mich nicht nicht als Mensch wahr, sondern bloß als Störfaktor, der Dreck verursacht!…“

Weit entfernt davon, sich von diesem leicht pathetischen Plädoyer beeindrucken zu lassen, antwortet die Gattin zuckersüß: „Hm, das trifft aber leider zu. Du hast dich selber sehr gut beschrieben. Du BIST nun mal ein dreckverursachender Störfaktor!“

Zum Glück verrät mir ihr Grinsen, dass sie damit gut leben kann und jedenfalls momentan und gnadenhalber bereit ist, sich auf meine überschaubare Kompetenz beim Aufräumen der Küche zu verlassen.