Artikel 14 Grundgesetz: idealisierte Gewaltverhältnisse

Ich muss immer schmunzeln, wenn Anhänger der bürgerlichen Gesellschaft die in der Verfassung festgelegten GEWALTVERHÄLTNISSE idealisieren und sie sogar in Anschlag bringen gegen diejenigen Entscheidungen der staatlichen Gewalt, die ihnen gerade nicht passen.

Natürlich wollen sie nichts davon wissen, dass ihr viel beschworenes Grundgesetz die Gewalt, auf der Macht- und Eigentumsverhältnisse im Kapitalismus gründen, lediglich philosophisch (als angeblich dem Menschen innewohnende Eigenschaften) überhöht und kodifiziert – und NICHT eine einzige Beschreibung großartiger menschennatürlicher Wesensart ist.

Diese Leute haben die Verfassung, die sich der deutsche Imperialismus als BRD gegeben hat, entweder nicht richtig gelesen oder. – meine Vermutung – nicht richtig verstanden.

„Artikel 14. (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“

Spät, eher beiläufig und äußerst wortkarg wird den Bürgern dann noch etwas erlaubt: das Haben im Allgemeinen. Die Kategorie des Eigentums, die nur benannt, nicht erläutert wird, setzt den Gebrauchsartikel, der nur einmal konsumiert werden kann, mit Dingen (Immobilien, Ländereien, Fabriken) gleich, die mit individuellem Gebrauch überhaupt nichts zu tun haben.

Die Selbstverständlichkeit, dass man die Mahlzeit haben muss, die man isst, wird in Anspruch genommen für etwas gar nicht Selbstverständliches: das Haben von Besitztümern, die man selbst nicht benutzt und gar nicht individuell benutzen kann, und das seinen Nutzen für den Besitzer nur durch den Ausschluss anderer von ihrer Benutzung bzw. durch den Tribut entfaltet, den er von denen fordern kann, die auf die Benutzung seines Eigentums angewiesen sind. Beides stellt das Grundgesetz unter den gleichen Schutz des Staates.

Als ginge es um die Ergänzung der Bürgerfreiheit um ein Spielfeld ihrer äußeren Betätigung, um den Umgang mit Dingen, wird so das juristische Gewaltverhältnis eingeführt, das in dieser Gesellschaft den Umgang der Menschen miteinander umfassend determiniert; um das sich deshalb das gesamte ökonomische Leben dreht: Eigentum zu erwerben ist lebensnotwendig, es zu haben verleiht Macht über andere, es nicht zu haben verdammt zum Dienst an fremden Interessen. Das Grundgesetz erklärt es zu einem Menschenrecht, das Reichen wie Armen gleichermaßen zusteht.

Und als ob es dasselbe wäre oder weil es eben dasselbe ist, wird das Erben gleich mit „gewährleistet“. Dieses Menschenrecht reicht über den Menschen hinaus; das Eigentum überlebt den Eigentümer, geht als rechtliche Institution auf Nachfolger über und verewigt sich. So wird dann schon merklich, dass die Verfassung von dem für den Kapitalismus konstitutiven Rechts-Institut ‚Eigentum‘ und nicht von einem unschuldigen Umgang mit Sachen handelt.“

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