Interessant für alle, die mit dementen Menschen arbeiten.
Der neue Expertenstandard („Expertenstandard Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“) ist eine Art verbindliche Richtlinie zur Qualitätssicherung, die die Pflege und Betreuung von dementen Menschen bundesweit auf eine wissenschaftlich fundierte und an die Bedürfnisse der Betroffenen angepaßte Grundlage stellen soll.
Was in dem Werk drinsteht, bedeutet – theoretisch – nichts weniger als einen Paradigmenwechsel: weg von einer durchführungs-orientierten, hin zu einer person-zentrierten Pflege und Betreuung.
Demenz wird nicht mehr als medizinisches Problem betrachtet, sondern als Frage der Beziehungsgestaltung.
Soweit die Theorie.
Das Ganze liest sich teilweise hochgelehrt und kompliziert und wird in dieser Form von keinem in dem Berufsfeld tätigen Kollegen verstanden. In meiner Einrichtung bin/war ich vermutlich der einzige, der das Werk durchgelesen hat.
Das Problem ist, dass die durchaus positive und humane Vision dieses Expertenstandards das ziemlich exakte Gegenteil der Realität in den Pflegeeinrichtungen ist. Die Arbeitskräfte in diesem Berufsfeld müssen mit immer zu niedrigem Personalschlüssel, Arbeitsverdichtung, Niedriglohn (soweit es die Betreuung betrifft), ausufernder Bürokratie und Dokumentationswahn, und ständigem Geldmangel an allen Ecken und Enden zurechtkommen – wo da die Zeit und die Bereitschaft zu der von dem Expertenstandard geforderten Umorientierung zu Empathie, Beziehungsgestaltung, Zugewandtheit usw. herkommen soll, bleibt das Geheimnis der wohlmeinenden Verfasser des Werkes.
Wie Michael Schneider in seinem Vortrag (als Audio auf der Website eingebunden – Branchenkollegen kann ich nur empfehlen, sich das anzuhören) sagt:
„In einem auf Maximalgewinn getrimmten System kann das große Geld nur da verdient werden, wo am Personal gespart wird; also wird es dort verdient“