Geschichten aus dem Pflegeheim: Die Alzheimer-Hände

Beim vorösterlichen Osterhasenbasteln in der „Tagesgruppe Demenz“ haben die Anwesenden (außer denen, die aufgrund von Müdigkeit oder Medikation eingenickt sind) viel Spaß. Allerdings können die wenigsten alle Bastelschritte mitmachen. Besonders die relativ genaue Handhabung einer Papierschere ist kaum einem Teilnehmer möglich.

Eine Ausnahme stellt unser neuestes Gruppenmitglied, Frau K., dar: die Mitt-Achtzigerin ist durch ihre Demenz verbal enorm verlangsamt; ihre Redebeiträge beginnen oft ganz normal, aber nach ein oder zwei Sätzen hat sie den Faden verloren, wird immer langsamer und weiß nicht mehr, womit sie die Rede begonnen hat. Sie erinnert an einen Film, der in normaler Geschwindigkeit beginnt, aber nach kurzer Zeit abrupt in Superzeitlupe übergeht. Haptisch allerdings ist Frau K. noch vergleichsweise fit. Sie erledigt den meisten Teil der Bastelei selber, während die anderen ohne Hilfe nicht weiterkommen.

Frau K. versucht also, aus Fotokarton einen Kreis mit „Ohren“ (die Füße des Hasen) auszuschneiden. Sie gibt sich Mühe und probiert es immer wieder. Schließlich legt sie Schere und Karton beiseite und sagt: „Das wird nichts. Ich hab Alzheimer-Hände!“

Ob sie wirklich die Bedeutung des Begriffes erfasst? Ich bin mir nicht sicher und antworte ihr: „Sie meinen, die Hände haben vergessen, wie’s geht?“

Ja, so ähnlich…“ erhalte ich zur Antwort.

Ich helfe ihr mit dem Ausschneiden, lasse sie aber im Übrigen so viel wie möglich alleine machen.

Hinterher ist sie so stolz auf ihren Osterhasen, das sie nach Abschluß der Runde, als sie schon wieder zurück in ihrem Wohnbereich ist, einen Pfleger hinauf in den Tagesgruppenraum schickt, um „ihren Osterhasen“ zu holen.

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