See the sky about to rain: individuelle Stimmungsschwankungen auf dem Strafplaneten Erde 

Das Leben fließt dahin und ich treibe mitten drin. Immer öfter kostet es mich Anstrengung, die Balance zu wahren zwischen meiner angeboren Neugier auf alles Lebendige und dem Staunen über dieses Wunder, das man Leben nennt einerseits – und andrerseits dem bodenlosen Ekel über die menschengemachten Zustände in einer Welt, die arm und reich, oben und unten, Arbeit und Ausbeutung nicht nur kennt, sondern als Grundprinzip der gesellschaftlichen Reproduktion festschreibt.

Wo man hinguckt, versucht einer auf Kosten des anderen voranzukommen, seine Schäfchen ins Trockenen zu bringen, sich einen Vorteil zu verschaffen und mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln an den Stoff zu kommen, der in dieser Welt benötigt wird, um das eigene Überleben halbwegs erträglich zu gestalten: Geld.

Eine Welle von Betrügereien bringt hunderte oder tausende Kunden von Postbank, Deutsche Bank, Commerzbank um ihre Ersparnisse. Ob sie das Geld wiedersehen? Man weiß es nicht. Die Bankmitarbeiter berichten nahezu bewundernd von dem Einfallsreichtum und der technologischen Ausgefeiltheit der Phischer, Scammer, Hacker und wie die Online-Kriminellen sonst noch genannt werden.

Selbst in der für viele kostbarsten Zeit des Jahres, den wenigen Wochen des Urlaubs, in dem lohnarbeitende Menschen versuchen müssen, irgendwie wieder zu Kräften zu kommen um den Arbeitsalltag zu bewältigen und zu überstehen – selbst und gerade hier wird der erholungsbedürftige Kunde erbarmungslos zur Kasse gebeten. Bei der Buchung der Ostsee-Ferienwohnung, in der Frau, Hund und ich seit Jahren die Mühe und Last eines Lohnarbeitsjahres zu kompensieren versuchen, wird uns umstandslos mitgeteilt, dass frische Handtücher und allerlei andere bisher kostenlose Selbstverständlichkeiten fortan mit Extragebühren berechnet würden; auch würde der Tagespreis für Hunde von 10 auf 20 Euro angehoben. Damit sind alleine für den Hund, der – wenn wir nicht unterwegs sind mit ihm – buchstäblich den ganzen Tag auf der Terrasse der FeWo rumliegt, gute 400 Euro fällig.

Ein Blick in die weite Welt läßt solche unappetitlichen Abgreifereien allerdings geradezu harmlos erscheinen: schon eine kurze Befassung mit dem perversen und durch und durch zynisch-brutalen Kolonialismus Frankreichs und anderer europäischer Mächte in Afrika macht klar, in was für einer absolut kranken Gefangenschaft und Abhängigkeit ganze Völkerschaften von den westlichen Herren der Welt gehalten werden. Seit Jahrhunderten transportieren die Ex-Kolonialmächte, allen voran Frankreich, unglaubliche Reichtümer in Form von Rohstoffen und Bodenschätzen direkt aus den afrikanischen Ländern in ihre Tresore in Paris und sonst wo, zwingen den Nationen des Françafrique über die CFA-Franc-Zone eine ökonomische Stellung auf, die die Afrikaner auf ewig zu abhängigen Dienern an den französischen Räubern  ihres Reichtums macht. Ganze Nationen werden so in ihrer Entwicklung gehindert, auf den Status eines Armenhauses und Elendsgebietes reduziert, während die Machthaber in den kultivierten, demokratischen, freiheitlichen, gender-diversen Zentralen des europäischen Imperialismus auf Kosten dieser Nationen ihre Ökonomie päppeln.

Oft neigt sich meine innere Balance angesichts all dieser Sauereien hin zu einem fundamentalen  Pessimismus. Die überall herrschende Gier, die gesamtgalaktische Verarsche, die rücksichtslose Vorteilsnahme, die unbedingte Dominanz der schrankenlosen Ausbeutung von Mensch und Natur wirkt abstoßend bis zur Lebensmüdigkeit auf mich. Nur eines empfinde ich als noch übler, noch kränker, noch zynischer: dass das Prinzip der kapitalistischen Ausbeutung und Vernutzung allen Inventars dieser Welt auch noch als conditio sine qua non des Lebens abgefeiert wird und die gültige Ideologie des wertewestlichen Herrschaftsbereiches, wenn nicht fast der gesamten Welt ist.

Wozu noch hier Gast sein? Wozu sich das antun? Man wäre doch eindeutige besser dran, nichts von der Vorhölle mitzukriegen, die Lohn, Preis und Profit aus dem Paradies machen, das die Welt nicht nur sein könnte, sondern IST.