Geschichten die das Leben schrieb: sechs Tage Delirium, offiziell genehmigt

Die schlecht bezahlte Lohnarbeitskraft im REWE setzt sich im Matrosenkostüm ihre ganze Schicht über an die Kasse, „weil Karneval ist“. Eine ihrer Hauptaufgaben als Kassiererin in diesen Tagen: die Identitätsnachweise (die echten diesmal, nicht irgendwelche eingebildeten sexuellen Vorlieben oder Abwege der Persönlichkeitsfindung) der Jugendlichen prüfen, die in Horden in die Supermärkte strömen. Ihr Ziel: soviel Alkohol wie möglich zu kaufen, um sich so voll wie möglich zu saufen.

Das scheint tatsächlich der eigentliche Inhalt der „tollen Tage“ für die erbittert feiernde Jugend zu sein: in allen möglichen Verkleidungen – die Jungs bevorzugt im Ganzkörper-Tierkostüm, die Mädchen meist in lustigen Röckchen und mit auf Katze, Zombie oder Teufelchen geschminkten Gesichtern – im öffentlichen Raum soviel Alkohol wie irgend geht zu trinken. Während und nach diesem Vorgang ist es oberste Pflicht, im Pulk so lautstark wie möglich auf das eigene adoleszente Vorhandensein aufmerksam zu machen.

Dankbar, im Zeitraum von Altweiber bis Faschingsdienstag für dieses Vorhaben generelle soziale Genehmigung und Absolution erhalten zu haben, versuchen sich hunderte oder tausende von Jugendlichen in ernsthaftem Komasaufen – der Erfolg sind die von morgens um zehn bis spät in die Nacht heulenden Sirenen der Rettungswagen, die die Schnapsleichen einsammeln müssen.

Anschließend machen die massenhaft herumliegenden Müllhaufen und Scherben von zerschmissenen Bier- und Weinflaschen die Hundespaziergänge zu einem Slalomlauf und den Anblick der Straßen und Bürgersteige des Viertels zu einem der traurigeren Art.

Ja, der Karneval gehört zum Rheinland wie die Pickel zur Teenager-Haut.