Mir fiel die Ähnlichkeit auf, die die Leugnungsanstrengungen der Guru-Jünger mit denjenigen der wertewestlichen „Freiheitundmarktwirtschaft ist der Gott“-Sektenmitglieder haben

In einigen threads, denen ich folge, tobt eine Debatte unter Sektenanhängern über die Verfehlungen ihres Gurus auf sexuellem Gebiet. Die Szene der Osho-Sannysins ist da nicht anders als andere Kulte und Religionsgemeinschaften, denen in letzter Zeit sexueller Missbrauch des Anführers (und als strukturelles Problem) nach allen Regeln der Kunst um die Ohren fliegt.

Mir fiel die Ähnlichkeit auf, die die Leugnungsanstrengungen der Guru-Jünger mit denjenigen der wertewestlichen „Freiheitundmarktwirtschaft ist der Gott“-Sektenmitglieder haben:

These:

Die Rationalisierungen und Rechtfertigungen für das missbräuchliche sexuelle Verhalten religiöser Führer und Gurus ähneln in ihrer Verdrängungsleistung und Realitätsflucht den Rationalisierungen und Rechtfertigungen für die Komplizenschaft mit der Herrschaft, die der neoliberale, oligarchische Kapitalismus über die westlichen Gesellschaften ausübt.

So wie jeder Missbrauch, jedes Vergehen des Gurus mit spirituellen Konzepten von Hingabe und Erleuchtung weg erklärt wird, werden die Verbrechen und Kriege der NATO, die Ausbeutung und Faschisierung im kollektiven Westen weg erklärt mit den Katechismen von Freiheit, Demokratie und „westlichen Werten“.

Es ist derselbe Mindset, der in seinem insularen Weltbild sich selber auf der Seite des spirituellen bzw. aufgeklärt-demokratischen GUTEN wähnt und jedem Zweifel, jeder Kritik, jedem Hinweis auf gegenteilige Fakten mit dem rituellen Gegenvorwurf begegnet, der Kritiker sei einfach nicht in der Lage, die singuläre Einzigartig und Größe des Gurus zu begreifen bzw. kapiert nicht, dass nur Freiheitundmarktwirtschaft die natürliche und – wegen der menschlichen Natur! – einzig menschengerechte Art der gesellschaftlichen Reproduktion wäre (und dass jeder, der dies bestreitet, nur ein Agent, bestenfalls ein nützlicher Idiot, des Feindes sein kann).

In beiden Fällen kann der Verstand nicht über den eigenen Mechanismus hinaus, der eine fast automatische Identifikation mit dem als für sich selbst positiv oder vorteilhaft erfahrenen Individuum, der Gruppe oder dem Gesellschaftssystem erzeugt. Im Falle der Guru-Gefolgschaft (und jeder religiösen Obsession) hängt die Identifikation mit einer Lebensweise, einer spirituellen Ausrichtung und deren Fokuspunkt – dem Guru oder einem religiösen Führer (Prophet, Messias, Heiliger) – von der Verteidigung und Rechtfertigung des Anführers ab. Möglicherweise kommt verstärkend (für den Klebstoff, mit dem die Identifikation im Verstand anhaftet) hinzu, dass im Falle des Gurus diese Ausrichtung meistens selbstgewählt und nicht „per Geburt“ in eine organisierte Religion bestimmt ist.

Im Falle der Identifikation mit den westlichen Konzepten von Liberalität, Vielfalt, Toleranz, Demokratie, Diskurs- und Meinungsfreiheit, zivilgesellschaftlichen Rechten und sozialen Ausdrucksformen (die allesamt im Zuge der Feudalisierung und Faschisierung des kollektiven Westens im Krieg gegen Russland ad absurdum geführt worden sind und mittlerweile eher in den bekämpften Feindstaaten Russland und China zuhause sind als in ihren Bannerträger-Staaten des NATO-Blocks) hängt von dieser Identifikation in der Regel gleich die ganze gesellschaftliche und finanzielle Lebensgrundlage ab.

Das ist jedenfalls das, was ich im Freunde- und Bekanntenkreis, in der Familie und am Arbeitsplatz beobachte. Es ist schwer, fast unmöglich, das Ausmaß der Lügen, die universelle Dimension des Betrugs, die bizarre Ungeheuerlichkeit mit der das GEGENTEIL der Wahrheit als Realität ausgegeben wird, an sich heranzulassen. Das gilt für beide Bereiche, den spirituellen und die Guru-Verehrung, und den politisch-sozialen mit der analog inbrünstigen Verehrung einer politökonomischen und kulturellen Ordnung, die sehr wenige sehr reich macht und der übergroßen Mehrheit Schaden und immer mehr Schaden zufügt.