Geschichten die das Leben schrieb: Die Welt wird von Leuten regiert, die noch nie Pilze genommen haben. Leute die Pilze genommen haben, wissen warum das ein Problem ist.

Meine Antwort auf eine entsprechende Nachfrage einer Freundin:

Ich will dir sagen, warum das aus meiner Sicht absolut und kategorisch wahr ist.

Mushrooms steht hier, denke ich, für die erweiterte Wahrnehmung, die psychedelische Drogen einem verschaffen können. Das ist zunächst mal einfach bloß faktisch: durch die Wirkung der Substanzen (LSD, Psilocybin, Meskalin, Ayahuasca….) wird der sensorische Input der Nervenzellen verstärkt. Die Menge an elektrischen Signalen, die zwischen den Synapsen ausgetauscht werden, ist um ein Vielfaches höher als normalerweise. So, als ob du bisher immer durch eine verschrammte, beschlagene Brille geschaut hättest und plötzlich SIEHST du klar und deutlich die Welt um dich rum (und in dir drin).

Und zwar siehst du sie von INNEN, in ihrer innersten Substanz, bis hinab auf die zelluläre und molekulare Ebene. Du siehst bis in die atomare Ebene hinab, blickst in die riesigen Abgründe zwischen den Elektronen und schaust zu, wie sich in dem Tanz auf der Netzhaut außen und innen alles in seine Bestandteile auflöst.

Dann erfasst dein Verstand, dass „alles“ auch DICH einschließt und die nackte Angst breitet sich in dir aus. Dir ist klar, dass dies dein Ende ist. Oder jedenfalls das Ende von dem, was du für „Ich“ hältst. Wenn du durch diesen Tunnel, durch diesen Flaschenhals durchgelangt bist (es ist nicht gesagt, dass das passiert, vielleicht endet deine Reise auch in der Klapse oder auf der Intensivstation), passiert etwas Erstaunliches:

Die Auflösung geht immer weiter, bis nichts mehr übrig ist. Gar nichts. Da IST nichts. Die Substanz von allem, die Essenz der Materie und des Immateriellen, der Kern der Wirklichkeit ist – NICHTS. Leere.

Es ist aber nicht so, dass plötzlich alles weg wäre. Du erfährst nur, dass die Realität – sogar die handfeste, konkrete, sichtbare Welt um uns herum – aus Leere besteht, die sich zu immer neuen Erscheinungen formt und wieder auseinander fällt. Allerdings kann das Auseinanderfallen mitunter Millionen Jahre dauern; manchmal aber auch nur Millisekunden. In dieser Leere, aus der alles entsteht, sind jedoch Zeitvorstellungen aufgehoben.

Außerdem pulsiert alles in einem schweigenden und erhabenen Rhythmus, der scheinbar das gesamte Universum durchzieht. Kann aber sein, dass es bloß die Dichotomie zwischen den positiven und negativen Ladungen des elektrischen Flusses in deinem Gehirn ist.

Auch Töne und Klänge bestehen aus dieser Leere, eigentlich also aus Stille, und die offensichtliche Unvereinbarkeit dieser Konzepte erscheint dir jetzt nicht als potentieller Wahnsinn, sondern als perfekter Ausdruck der Polarität der Existenz.

Dir ist, als hättest du ein magisches Königreich betreten. Aber nicht jene Kinder-Märchenwelt, die Fantasiewesen und -geschichten erfindet, um den lieben Kleinen eine unverständliche Welt verständlich zu machen (und ihnen gleich eine geeignete Moral mitzuliefern), sondern du bist in die wirkliche Welt eingetreten. Was du bisher kanntest – DAS war die Fantasiewelt, die Kinder-Märchenstunde, die Krabbelstube der Menschheit, in der Milliarden blinder Schlafwandler ihren Milliarden engstirnigen, engherzigen und kleinlichen Zielen nachgehen, geblendet von Gier und Angst und Ignoranz, ohne Kenntnis der unendlichen, pulsierenden Leere, die alles durchströmt und aus der alles besteht.

Wenn du zurückkehrst von deiner Reise hinter die Erscheinungsformen, von deinem Ausflug in die Essenz der Wirklichkeit, und anderen Menschen begegnest, kommst du dir vor wie ein Außerirdischer, der mit primitiven Formen von Intelligenz kommunizieren muss. Besonders, wenn du die Menschen siehst, die als Politiker, Kapitalisten oder sonstige Entscheider die weltlichen Angelegenheiten regeln, in dieser von ihnen als flache, eindimensionale Welt des Geschäfts und der Gewalt wahrgenommenen Wirklichkeit.

Du wünschst dir – bzw. ihnen – dass sie ebenfalls die Möglichkeit hätten, in das Herz der Dinge zu sehen. Du möchtest ihnen am liebsten „mushrooms“ oder eine andere psychedelische Droge verabreichen, damit sie aus der engen Hülle ihres begrenzten Verstandes heraustreten können – und sei es nur für ein paar Momente.

Grace Slick von Jefferson Airplane berichtet von einer Einladung ins Weiße Haus zur Zeit, als Richard Nixon US-Präsident war. Sie hatte einige LSD-Trips dabei und wartete auf eine Gelegenheit, ihm diese in ein Glas Wasser oder sonst eine Getränk zu schmuggeln; leider hat sie sich dann doch nicht getraut, weil sie um die Folgen (für sich) fürchtete. Aber sie hätte zu gerne dem Kriegshetzer und Reaktionär Nixon zu einer Reise in die Realität verholfen.

Später begegnen dir vielleicht buddhistische Quellen und du hörst von Bodhidharma, der um das Jahr 500 von Indien nach China ging und dort den (Zen-)Buddhismus verbreitete. Unter all den erstaunlichen Geschichten, die über Bodhidharma erzählt werden, stößt du eventuell auf den einen, kurzen Satz, mit dem Bodhidharma die Anfrage des chinesischen Kaisers nach der Natur der Wirklichkeit beantwortet haben soll: „Emptiness, no holiness“, und du verstehst, dass die Einsicht in diese Natur nicht von Substanzen abhängig ist.

Aber vielleicht hat Bodhidharma ja Pilze genommen.

Bodhidharma (lebte ca. 5. oder 6. Jhdt. in China)