Als junger Mensch hatte ich nur ein Anliegen: die höchsten Erkenntnisse und die tiefste Wahrheit zu erlangen. Mein Streben ging nach Erkenntnis, Erleuchtung, nach Begreifen und Verstehen dessen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“.
Darunter wollte ich es nicht tun. Der Griff nach den Sternen (den inneren jedenfalls) führte mich geistig in die Dimensionen jenseits des Verstandes und jenseits von Zeit und Raum, was für die „Reise nach innen“ gefühlt genauso ein Aufbruch in unendliche Weiten war, als hätte ich ein überlichtschnelles Raumschiff bestiegen und mich durch ein Wurmloch in ein anderes Raum-Zeit-Kontinuum begeben. Neben der eigenen Neugierde und einem anscheinend innewohnenden Erkenntnisdrang wurden Drogen und der Guru der Treibstoff dieser Suche.
Jetzt, vierzig bis fünfzig Jahre später registriere ich, wie sich der Fokus von unendlichen Weiten auf die unmittelbare Nähe verschoben hat: nicht mehr die göttliche Weisheit, sondern die menschliche Bedingtheit interessiert mich vorrangig: die praktischen, alltäglichen Beziehungen zwischen den Menschen, die Art und Weise, wie sie ihr normales Leben organisieren und miteinander umgehen. Der Guru hat mich verlassen, oder ich den Guru (in aller Freundschaft, wie ich betonen möchte), die Drogen sind geblieben, als Krankenschwestern am Bett der menschlichen Gebrechlichkeit.
Vom großen Ganzen und universaler philosophischer Ergründung bin ich gelandet beim schlichten, alltäglichen Leben. Ich will nicht sagen, dass das eine das andere ausschließt; vielleicht ergänzt es sich ja sogar. Ich weiß, dass es Leute gibt, die behaupten, nur das Anzapfen göttlicher Weisheit würde ein erquickliches Miteinander der Menschen (sie reden dann gerne gleich von der „Menschheit“) hier unten auf der Erde gewährleisten können. Das mag so sein, aber ich möchte alles Göttliche gerne beiseite lassen (zumindest verbal) und mich auf das Menschliche konzentrieren.
Da liegt ja genug im Argen, und die Freundlichkeit, die Fürsorge und das bißchen Sicherheit, das Menschen nun mal brauchen, um ein anständiges Leben führen zu können, sind bekanntlich weder im spirituellen Wolkenkuckucksheim noch im kapitalistischen Rattenrennen zu haben. Ersteres ist allerdings mit letzterem bestens vereinbar, wie ich an vielen früheren Freunden und Bekannten feststellen kann. Der endgültige Kulminationspunkt, an dem sich Sinnsuche und Geschäftemacherei vereinigen, ist der homo economicus esotericus, der Kurse wie „Denk dich reich!“, „Sei Du Selbst – Being You®“ (mit genau diesem Handelsmarken-Zeichen dahinter) und dergleichen anbietet und besucht.
Ich merke, dass ich aus- bzw. abschweife… ich wollte nur notieren, was mir gerade auffiel: die Verschiebung des Fokus, der Orientierung, der Ausrichtung meiner Aufmerksamkeit, oder meines Schwerpunktes, auf die einfachen und elementaren Umstände des Lebens in einem Körper und auf einem bewohnbaren Planeten. Diese Umstände sind zwar nicht einfach, aber sie könnten es sein. Dafür, so mein Fazit aus dieser Verlagerung meiner inneren Ausrichtung, braucht’s den Kommunismus.