Heute nehme ich mir mal die „Heute“-Nachrichten des ZDF vor.
Die Corona-Pandemie nimmt den weitaus größten Teil der Sendung ein; man hört widersprüchliche Informationen über einen im Vergleich zur vorigen Welle wohl weniger schlimmen Verlauf bei der neuesten Virusmutation, andrerseits aber aus verschiedenen europäischen Ländern eine Gruselnachricht an der anderen zum furchtbaren Wüten (oder dem Warten darauf) der „Omicron“-Welle.
Ein Satz läßt dann doch aufhorchen und verdeutlicht die Absurdität dieser Mischung aus Panikmache und Beschwichtigung, eigentlich aber Ratlosigkeit: „Die größer werdende Omikron-Welle schlägt sich noch nicht in den Zahlen nieder – die sinken weiter.“ Sodann berichtet der Sprecher von über 11.000 weniger Neuinfektionen innerhalb einer Woche und sinkenden Inzidenzen. Da soll also etwas größer werden, das abnimmt? Hä?
Zum Glück ist dann der „Corona-Block“ der Nachrichten vorbei und der Zuschauer erhält wieder Gelegenheit, sich wohlig-angstvolle Schauer über den Rücken laufen zu lassen, während ihm die neuesten Meldungen von der Vorkriegsfront verlesen werden: Der Russe hat in Form seines Präsidenten (der in deutschen Frontmedien stets nur „Putin“ – ohne Anrede, ohne Titel – genannt wird) eine 4-stündige Pressekonferenz gegeben und auf dieser frech bestritten, dass er die Ukraine überfallen und bekriegen will.
Er fordert sogar – dreist wie Iwan – von der NATO Garantien gegen eine noch weitere Ausdehnung nach Osten! Ein solch unverständliches Ansinnen fällt dem Oberrussen nur ein, so weiß der Reporter aus Moskau, weil der russische Präsident „beleidigt“ ist, die östliche Demokratiemission des friedliebenden transatlantischen Menschenrechtsvereins also gründlich missverstanden hat und jetzt ein „gekränkter Präsident mit Drohkulisse“ ist, im Grunde also einen Psychotherapeuten braucht.
Zu dem ziemlich lauten und starken Beifall am Ende der Pressekonferenz merkt der ZDF-Reporter an: „Zum Schluss der Veranstaltung gibt es Beifall..“ (er legt eine Kunstpause ein) „… von ein paar russischen Journalisten.“ Damit hat der ZDF-Mann dem deutschen Fernsehpublikum klar gemacht, dass selbstverständlich nur Clacqueure und Hofschranzen einem Autokraten wie Putin Beifall spenden, was ZDF-Mitarbeiter, als freie Journalisten, natürlich erstens durchschauen und zweitens niemals machen würden – die Stichwortgeberrolle derselben Journalisten und ihre unterwürfigen Interviewformate gegenüber Merkel, Scholz & Co sind hier als Vergleich auf keinen Fall angebracht, denn bei unseren Politikern handelt es sich ja um lauter wertebasierte Demokraten.
Um im Kopf des Zuschauers abschließend (für diese „Heute“-Sendung) wieder in Erinnerung zu rufen, wer die Guten und wer die Bösen sind in dieser leider so schlechten – dank unserer weisen Politiker und Journalisten aber doch auch überschaubaren – Welt, wird schnell noch ein neues Schurkenstück des anderen (und, wie wir seit kurzem wissen, noch viel übleren) Bösewichts der Staatenwelt vorgestellt: der CHINESE ist mindestens jeden Tag für irgendeine undemokratische Schandtat gut. Diesmal hat er in Hongkong ein Denkmal abbauen lassen. In Hongkong! Also eigentlich in UNSERER Stadt, denn dass wir als Gesamteuropäer, also irgendwie trotz Brexit auch als Briten, diese Kolonie an die Volksrepublik zurückgegeben haben (so großmütig können wir sein!), ist ja nicht so lange her. Es erweist sich allerdings im Nachhinein als schwerer Fehler, denn der Rotchinese versucht dort tatsächlich, dem dortigen chinesischen Menschenschlag das demokratische Recht auf die Existenz als Fünfte Kolonne des Imperialismus zu nehmen.
Jedenfalls haben die chinesischen Behörden eine Plastik entfernen lassen, die an „das Massaker auf dem Tienanmen-Platz von 1989“ erinnern bzw. das Gedenken daran wachhalten soll. Der „Heute“-Sprecher trägt die offizielle westliche Sprachregelung für die seinerzeitigen Studentenproteste vor, als ob es sich tatsächlich um ein „Massaker“ gehandelt hätte (jeder seriöse Historiker und interessierte Laie weiss mittlerweile, dass die chinesischen Sicherheitskräfte 1989 mitnichten irgendwelche Studentenmassen massakriert haben, sondern im Gegenteil einem in Teilen gewalttätigen und konterrevolutionären Mob erstaunlich milde entgegentraten).
Das westliche Narrativ vom „Massaker“ ist aber zu schön und zweckmäßig für den antichinesischen Propagandakrieg von NATO-Politikern und angeschlossenen Medien, um ihn zugunsten der historischen Wahrheit aufzugeben. So kriegt das Publikum Schluck für Schluck und jeden Tag das Gift der Lüge eingeflößt. Längst hat sich das verselbständigt; längst ist durch die millionenfache Wiederholung auch beim letzten Bürger hängen geblieben, dass erstens der Chinese voll undemokratisch und autoritär beherrscht wird und er zweitens bei abweichender Meinung auch noch massakriert wird. Verständlich, dass ein solcher Unrechtsstaat genauso wie das seinerzeitige ostdeutsche Pendant unter verschärfter Beobachtung durch unsere friedliche NATO stehen muss und letztlich – wiederum ebenso wie das ostdeutsche Unrechtsstaatswesen – zur Demokratie bekehrt gehört.
Der Bürger erschauert erneut, bekreuzigt sich innerlich dreimal, dass er sich zum Reich der Freiheit zählen darf und hofft inständig, dass unsere Bundeswehrmacht und ihre Verbündeten genügend Feuerkraft haben, um die Angriffspläne des beleidigten Russenchefs und die Massaker der gelben Diktatoren abzuwehren. Damit ist aber auch wieder gut mit den Schauermeldungen, schließlich ist Weihnachten und den Menschen ein Wohlgefallen, und nun der Hauptfilm!
