Geschichten aus dem Pflegeheim: Reinigungskräfte brauchen keinen Kaffee!

Morgens um 7.30, während ich in Vorbereitung für einen weiteren langen Vormittag in der „Tagesgruppe Demenz“ den Kaffee-Vollautomaten anwerfe um mich mit einem Cappucino zu versorgen, spricht mich eine der Reinigungskräfte an, die ständig in allen Bereichen der Einrichtung Böden wischen, staubsaugen, Geländer und Handläufe säubern, Bewohnerzimmer reinigen usw. (und das alles unter den verschärften Auflagen des Corona-Desinfektionsregimes.

Kannst du mir bitte auch einen Kaffee machen?“ fragt die Kollegin.

Ja klar“, antworte ich.

Den brauch ich ganz dringend jetzt, sonst schlaf ich gleich wieder ein“, ergänzt sie (Arbeitsbeginn für die Putztruppen-Frühschicht ist 6:30 morgens). „Wir dürfen hier nämlich keinen Kaffee mehr trinken.“

Ich glaube, ich habe mich verhört. „Wie bitte? Wieso das denn?“, will ich wissen.

Der ist für die Bewohner und die Mitarbeiter da, nicht für uns, hat die PDL* gesagt“, klärt mich die Kolegin auf.

Ja und? Ihr seid doch auch Mitarbeiter…“, entgegne ich.

Nee, wir sind Fremdfirma.“

Ich fasse es nicht. Der Kaffee, um den es geht, wird hundertliterweise den ganzen Tag über auf allen Wohnbereichen gekocht, zur Verfügung gestellt und von allen getrunken. In der Regel bleibt massenweise übrig von dem Gebräu, das geschmacklich eher in Richtung Batteriesäure geht.

Nicht umsonst habe ich eine private Kaffeemaschine auf der Arbeit, um nicht auf den Einrichtungskaffee angewiesen zu sein. Dennoch habe ich selten etwas Übleres und Kleingeistigeres gehört als diese Neuigkeit der sparsamen PDL. Wobei die Anweisung wohl nicht auf deren Mist gewachsen ist, sondern vermutlich als Anweisung des Diakonievorstandes umgesetzt wird.

Ich kann mich den ganzen Vormittag über kaum beruhigen über soviel bornierte Schäbigkeit und greife mir den Einrichtungsleiter, sobald ich seiner ansichtig werde.

Hören Sie mal, mit ist da das und das zu Ohren gekommen. Ist das wahr?“

Der Chef bejaht.

Das glaub ich jetzt nicht! Ist Ihnen das nicht peinlich?“ frage ich. „Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass die Frauen, die sich hier täglich den Arsch aufreißen, damit es hier sauber ist, noch nicht mal von dem schlechten Kaffe trinken dürfen, den wir hier haben.

Und das in einer Einrichtung, in der an jeder Ecke heilige Sprüche und christliche Menschenbilder hängen? Chef? Denken sie mal ganz scharf darüber nach und sprechen Sie ein Machtwort. Da ist die PDL glaube ich ein bißchen übers Ziel hinausgeschossen…“

Der Chef ist etwas betreten und murmelt was von „Ja, die sind nunmal von einer Fremdfirma, und außerdem haben die eine Kaffeemachine im Keller…“ (er weiß ganz genau, dass der Arbeitstakt der Reinigungskräfte kaum Pausen zulässt, geschweige denn einen Gang in den Keller, um zu versuchen, irgendeine verstaubte alte Kaffeemaschine wieder in Gang zu setzen).

Ja, ich überleg es mir noch mal..“ und weg ist er. Mir scheint, er hat etwas fluchtartig Reißaus genommen.

Ich werde die Kaffeefrage weiter verfolgen.

*PDL = Pflegedienstleitung