Geschichten aus dem Pflegeheim: Reinigungskräfte brauchen keinen Kaffee! – Teil 2

Die Sache geht in die nächste Runde. Nach dem Einrichtungsleiter greife ich mir heute auch die PDL (Pflegedienstleiterin), eine osteuropäische macht- und karrierebewusste Dame, die hausweit im Ruf einer strengen und ungnädigen Chefin steht.

Psychologisch geschickt komme ich ihr mit improvisiertem Lean Management und Marketing Blabla: “Frau G., manchmal wiegen die Vorteile von Sparmaßnahmen nicht den Imageschaden auf, den sie verursachen…”

Damit habe ich schon mal ihre Aufmerksamkeit. Dass ihre an die Reinigungskräfte gerichtete Kaffee-Regelung so weite Kreise zieht, ist ihr sichtlich unangenehm. Sie versucht sich zu rechtfertigen:

“Die sind aber nun mal von einer Fremdfirma! Da müsste die Fremdfirma für den Kaffee sorgen. Vor allem aber bedienen die sich in ihren Pausen an den Kaffeeautomaten in der Küche – wo sie eigentlich keinen Zutritt haben – und halten keinerlei Hygieneregeln ein.”

Damit hat sie tatsächlich einen gültigen Punkt, denn wie alle Mitarbeiter und Bewohner sind auch die Reinigungskräfte im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen auf die Wohnbereiche aufgeteilt worden und sollen nur in “ihren” Wohnbereich arbeiten. Daran halten sie sich zwar, aber in den Pausen sitzen sie all in oder vor der Cafetria, ohne Mundschutz und dicht beieinander, rauchen, ratschen und trinken Kaffee (bis vor kurzem).

Trotzdem lass ich nicht locker: “Ja, schon klar, aber das kann man ja klar kommunizieren und regeln. Es ist doch wohl kein Problem, wenn die Küche den Putzfrauen morgens zwei oder drei Kannen Kaffee hinstellt, so wie den Wohnbereichen auch, oder? Wissen Sie eigentlich, wieviel Kaffee wir täglich wegschütten, weil keiner den trinkt?”

Die PDL ist noch nicht überzeugt und will wohl auch aus Prinzip erstmal nicht nachgeben. Sie zieht ab, aber ich sehe, dass es in ihr arbeitet.

Beim Mittag begegnet sich Einrichtungsleitung samt Verwaltung und mir in der Cafeteria. Diesmal bringt die PDL das Gespräch von sich aus auf das Kaffeethema. Sie spricht den Einrichtungsleiter darauf an, mit Verweis auf mich und den Imageschaden, den ich ihr untergejubelt habe: “Die sprechen schlecht von uns! Das ist nicht gut…”

Der Chef ist erstmal abwehrend und meint allen Ernstes: “Wissen Sie, was die uns jährlich kosten? Soll ich Ihnen mal die Rechnungen zeigen?”

Zu seiner Überraschung antworte ich: “Ja, gerne. Lassen Sie mal sehen. Denn dass die Diakonie eine Fremdfirma mit den Reinigungsarbeiten betraut, liegt ja wohl ausschließlich daran, dass sie keine Tariflöhne für Hauswirtschaftskräfte bezahlen und die Putzarbeit so billig wie möglich outsourcen will. Stimmt’s?”

Das verschlägt ihm erstmal die Sprache und er bringt sich außer Reichweite in sein Büro.

Beim Mittagessen dann richtet die PDL das Wort an die Küchenchefin:
“Frau K., haben die Reinigungsleute eine Kaffeemaschine? Könnten Sie für die zusätzliche Kaffeekannen bereitstellen?
"Ja, das ist möglich”, antwortet die Küchenfrau sachlich und faktisch.

Jetzt mischen sich andere Schlauberger aus der Verwaltung ein und verteidigen die unsägliche Kein-Kaffee-für-die Putzfrauen-Regelung mit dem Argument, dass sie sich ja auch nicht, wenn sie beispielsweise in eine Behörde oder ein Geschäft kamen, dort am Kaffee bedienten.

Ich sehe, dass hier jetzt ein argumentativer Schlussstrich und eine milde Zurechtweisung für die Untertanengemüter der neoliberalen Beutelschneiderdiktatur erfolgen muss und sage: “Leute! Macht jetzt mal keine Doktorarbeit daraus, wir reden hier von ein paar Tassen Kaffee für die Frauen, die täglich hier alles sauber halten! Jeder hier weiß, dass die Frauen von JEDEM – ob Bewohner oder Mitarbeiter – als Teil der Mitarbeiterschaft angesehen werden. Wollt ihr echt so kleinlich und schäbig sein und denen einen Kaffee verwehren? Ihr habt wohl lange nicht mehr die frommen Losungen durchgelesen, die hier überall an den Wänden hängen…”

Damit ist das Thema fürs Erste durch und dem Anschein nach wird es ab demnächst auch wieder Kaffee für die Reinigungstruppe geben.