Feindwort bei Leuten, die sich für ideologiefrei halten. Keine Ideologie zu haben, unideologisch an die Sachen heranzugehen, ist ihre Ideologie. Ideologen sind nur die anderen – und die sind durch diesen Zustand bereits so abqualifiziert, dass man sich jede Erörterung der Inhalte ihrer Ideologie im Grunde ersparen kann.
Dass das Wort bloß „Ideenlehre“ bedeutet und einfach die Ausstattung mit Anschauungen, Werten usw. bezeichnet, die sich ein Verstand im Laufe seines Daseins unter dem Einfluß seiner Umwelt und seiner Erfahrungen so zurechtlegt, ist unseren ideologiefreien Ideologen zu einfach – für sie ist „Ideologe!“ ein Kampfbegriff, der den begrenzten geistigen Horizont des so Benannten kennzeichnen soll.
Die Ideologie, derzufolge Kapitalismus die natürliche Ordnung des Menschen und seiner Wolfsnatur sein soll und als solche auch noch gleich den alternativlosen Endzustand der menschlichen Geschichte darstellt, weist empört die Unterstellung zurück, Ideologie zu sein: gerade sie nimmt sich ja die Freiheit, die Welt unideologisch anzuschauen, ohne die Scheuklappen einer bestimmten Ideologie – und kommt so frei und vorurteilslos zu dem Schluss, dass nur die kapitalistische Ordnung der Welt dem freien, nicht von einer Ideologie eingezwängten Bürger gemäß ist.
So hat sich das bürgerliche Gemüt ganz ideologiefrei zu der Erkenntnis vorgearbeitet, dass es in dieser wunderbaren Welt der (Ideologie-)Freiheit bestens aufgehoben ist und singt, frei wie ein Vögelchen, das Lied der Freiheit noch, während die Käfigbesitzer schon im Kochbuch blättern.
