Geschichten die das Kino schreibt: der letzte Rest von Realitätssinn im Imperialismus findet in Filmen statt

In den vergangenen paar Tagen habe ich zwei Filme (einen kanadisch-belgischen Thriller und eine us-amerikanische Komödie bzw. Satire) gesehen, die nahelegen, dass die intelligentesten und realistischsten Leute des zerfallenden Imperialismus immer noch in Hollywood bzw. in der Filmindustrie sitzen.

Nicht unbedingt die Produzenten oder Filmgesellschaften, aber die Drehbuchautoren (und die Schauspieler, zu einem Teil). Es scheint so, dass die Bestandsaufnahme des Zustandes der USA weniger in den Feuilletons der führenden Zeitungen und Onlineportale stattfindet, nicht in der akademischen Debatte oder in soziologischen Fachforen, und schon gar nicht im Denken und Reden von Politikern, ihren oligarchischen Geldgebern oder gar Unternehmen, sondern vorzugsweise und wenn überhaupt in den höchst professionellen und gnadenlos guten cineastischen Abbildungen der amerikanischen Realität – sei es als Krimi oder als Komödie.

Der erste Film heißt „Crisis“ und beschreibt anhand eines vielfältig verknüpften Krimi-Plots die Folgen der Opioid-Krise. Er zeigt, was nicht erst die millionenfache Drogensucht (die sich in millionenfachen Gewinnen der einschlägigen Pharmaunternehmen ausgezahlt hat) aus dem amerikanischen Menschenschlag gemacht hat. Ein hervorragendes Darstellerensemble mit dem genialen Gary Oldman vorneweg und fantastische Landschafts- und Städteaufnahmen erzählen die Geschichte von Verfall, Untergang, Gier und Profit, die das gesamte Leben jenes gestraften Landes ausmacht. Nebenbei fiel mir beim Zuschauen das erste mal die hierzulande unerträgliche Veronika Ferres positiv auf, die die mit allen kapitalistischen Wassern gewaschene unsympathische Vorstandsvorsitzende eines Pharmakonzerns spielt (eine Rolle, für die sie sicher nicht lange üben musste).

Als zweites gönnte ich mir – auf Anraten australischer Freunde – die neue Netflix-Produktion „Don’t look up“. Ein Komet rast auf die Erde zu, die zuständigen Astronomen warnen die offiziellen Stellen und die Menschheit – aber keinen interessiert’s wirklich, alle reagieren entsprechend ihrer jeweiligen Gehirnwäsche durch Politik und Medien; vor allem der amerikanische Blickwinkel, den der Film zwangsläufig hat, zeigt, dass in diesem Land irgendwie schon alles egal ist und auch der Weltuntergang entweder als Geschäftsgelegenheit oder als Social-Media-Debattensteilvorlage benutzt wird. Ein bißchen so, wie man sich das völlig verfaulte, dekadente, untergehende Rom vorstellt. Das Ganze mit den hochkarätigsten Schauspielern, die Hollywood zu bieten hat (DiCaprio, Streep) und bis auf das leicht frömmelnde Ende ein satirischer Hochgenuß.

Nochwas: gebt euch die Filme unbedingt im Original. Englisch versteht jeder, und das bißchen Intelligenz und Anstrengung, bei unbekannten Ausdrücken mal auf die Untertitel zu schauen, ist nicht zu viel verlangt. Sonst macht ihr euch wirklich – speziell bei „Crisis“, der in Teilen (wo er in Kanada spielte) zweisprachig ist – das cineastische Erlebnis kaputt und aus einem ausländischen Film einen Stummfilm mit einem deutschen Hörspiel oben drüber, wodurch ihr die Hälfte des Realitätsgehaltes des Films wegschmeißt.