Geschichten aus dem Pflegeheim: Bunte Schmetterlinge machen die Leute glücklich

Wenn die Jahreszeiten wechseln, machen wir gerne etwas Besonderes in den Malkursen und Kreativgruppen. Irgendwas, was den Umschwung widerspiegelt, den die ganze Welt, den die Natur, den Mensch und Tier empfindet. Im Frühling merkt man schon auf den Straßen, beim Einkaufen und sogar auf der Arbeit, dass die meisten Leute bessere Laune heben und sich über die längere Tageshelligkeit und all die Zeichen der Wiedergeburt der Natur freuen.

Meine ursprüngliche Idee ist, die Leute Blätter (von verschiedenen Bäiúmen und Sträuchern) mit Acrylfarben anmalen zu lassen und diese bemalten Blätter dann als die „Flügel“ eines Schmetterlings aufs Papier zu stempeln, also zu drücken. Nach einigen Selbstversuchen kommen mir allerdings Zweifel an der Tauglichkeit der Blätter-Idee: erstens müssen die Blätter einigermaßen dick sein, etwa wie Efeu. Zweitens und vor allem aber ist die Handhabung von Baumblättern plus Farbe obendrauf u.U. eine große Herausforderung für Hochaltrige, die in der Regel haptisch und motorkoordinatorisch eingeschränkt sind – vor allem, wenn sie auch noch dement sind.

Der Zufall will es, dass ich im TeDI gegenüber der Pflegeeinrichtung, wo ich ein paar Malpaletten kaufen will, auf herzförmige Putzschwämme aufmerksam werde. „DAS ist die Lösung!“ ist mir sofort klar: Handhabung deutlich einfacher, weil dicker als Blätter; Farbaufnahne und -wiedergabe um Größenordnungen besser; im Zweifel (wenn wir sie nicht zu sehr mit Acrylfarben versauten) auswaschbar und wiederverwendbar.

Die Idee erweist sich als richtig: sogar die üblichen „Beisitzer“ – Bewohner, die lediglich wegen der gemütlichen Atmosphäre und der Musikbegleitung unserer Kreativrunden erscheinen – werden diesmal von der Einfachkeit der Sache inspiriert. Eine nach der anderen wird neugierig, kommt aus ihrem bequemen Sessel hervor oder rollt mit dem Rollstuhl zum Tisch, wo die Schmetterlinge entstehen, und schließlich will jede mal einen Schmetterling machen.

Die bunten Schwammdruck-Bilder werden sofort als Ausstellung an die Schranktüren geklebt und die Künstlerinnen (heute waren nur Frauen dabei) sind sichtlich stolz auf ihre Werke. Sie fachsimpelen über Farben und Flügelformen; eine der Damen ruft immer wieder vorbeikommenden Cafeteria-Gästen zu, sie sollten mal herkommen und sich die schönen Bilder anschauen.

Tatsächlich sind die Bilder schön anzugucken. Die abstrakten Farbmuster der „Flügel“ kontrastieren mit der gegenständlichen Gesamtform der „Schmetterlinge“ und sind – als Ergebnis des Auftrags von Farbe auf einen Putzsdhwamm, den man dann als Stempel benutzt – alle komplett individuell und einzigartig. Etliche der Teilnehmerinnen (ich glaube, es waren vor allem die Dementen) lassen erstaunte und bewundernde „Ahs“ und „Ohs“ hören, wenn sie nach ein paar Sekunden Schwamm-aufs-Papier-drücken die Resultate sehen.

Dazu läuft natürlich ununterbrochen deutsches Schlagerliedgut aus den 1940er – 1970er Jahren, was zur Folge hat, dass die meisten mitsingen und auf diese Weise, ohne es zu merken, zum Rhythmus der Farben auch noch die Farbe der Musik in ihre kreative Tätigkeit integrieren.

All das bekommt nach einer Weile happeningmäßige Qualitäten; anstelle der üblichen ein bis anderthalb Stunden dieses Angebots verbringen wir heute geschlagene zweieinhalb Stunden mit Schwämmen, Farben, Musik und Schmetterlingen – begleitet von Frühlingswetter, allgemeiner Hochstimmung und den unvergessenen Stimmen von Rudi Schuricke, Gus Backus, Peter Alexander, Lale Andersen und den anderen Musikalartisten vergangener Epochen.

Beim Betrachten der Schwämme während des Aufräumens kommt mir in den Sinn, dass sie nicht nur für Schmetterlingsflügel, sondern genauso gut für Blumenkelche geeignet sind. Damit steht schon das Programm fürs nächste Mal: lauter bunte Frühlingsblumen, denn der Frühling geht jetzt erst richtig los!