Ernüchternder Besuch beim Orthopäden, der einen MRT-Befund auswertet: da ist nichts mehr zu wollen mit dem Knie. Arthrose dritten Grades, multipler Meniskusriss an den Seiten und innen, dauerhafte Bewegungseinschränkung.
„Mit den Schmerzen müssen Sie jetzt leben, wenn sie können. Das muss jeder für sich entscheiden, ob er eine konservative Therapie ausprobiert, mit Bandagen, Schwimmen, Physiotherapie und bei Bedarf Schmerzmitteln – oder eine Operation.“

Der sympathische spanische Orthopäde verschreibt mir gleich mal die entsprechenden Hilfsmittel und lecker Schmerzmedikamente, als ich ihm sage, dass ich vorläufig kein künstliches Kniegelenk eingebaut bekommen möchte. Auf meine Nachfrage nach anständigen Schmerzmitteln, also Opioiden, guckt er mich verdutzt an und sagt: „Die machen aber ABHÄNGIG! Solange Sie mit Ibuprofen gut zurechtkommen, bleiben Sie dabei, wenn nicht, können wir immer noch Novaminsulfon einsetzen…“
Meine Entgegnung, dass eine Abhängigkeit (mir) relativ egal ist, wenn man eine wahrscheinliche Lebenserwartung von weiteren maximal 20 Jahren hat, lässt er nicht gelten. Damit bin ich entlassen und kann direkt in den Sanitätsladen gehen, der sich marktwirtschaftlich konsequent direkt neben der Orthopädiepraxis angesiedelt hat. Dort erwartet mich ein typisches Beispiel der Klassengesellschaft und ihrer Zweiklassenmedizin: die für Kassenpatienten gedachte Kniebandage ist die Billigversion, die außer der günstigen Zuzahlung von zehn Euro keine erwähnenswerte Eigenschaften besitzt.
Leute, die eine anständige Kniebandage von höherem medizinischen und orthopädischen Wirkungsgrad, besser gewebt, insgesamt stabiler und durch und durch höherwertiger, haben möchten, müssen 35 Euro zu zahlen. Dieser Umstand veranlasst mich zu einigen entsprechenden Bemerkungen über die medizinisch Versorgung in der Klassengesellschaft, welche von der Verkäuferin mit einem lapidaren „Das ist eben Demokratie!“ beantwortet wird. Ich zahle zähneknirschend die 35 Euro, streife mir die Kniebandage unter Stöhnen und Ächzen über das kaputte Knie und merke bereits nach wenigen Schritten, dass dies tatsächlich eine Hilfe ist. Somit bin ich also halbwegs versöhnt mit der Ausgabe und gehe meiner Wege.
Auf all diese schlechten Nachrichten muss ich mir jetzt irgendetwas Gutes tun. Einige Schritte weiter befindet sich ein Barbershop. Ich ergreife die Gelegenheit und lasse meine wuchernde Gesichtsbehaarung von einem syrischen Profi akkurat stutzen und behandeln – eine sehr angenehme Erfahrung. Allerdings ist das Zeug, das er mir nach Abschluss der Prozedur ins Gesicht sprüht, von derartig penetranter olfaktorischer Intensität, dass ich beide vorderen Autoscheiben runterlassen muss, um die Rückfahrt nach Hause zu ertragen.

Dort angekommen, wasche ich mir das Stinkezeug sofort aus dem Gesicht und präsentiere mich der Gattin, die bislang meine Bärtigkeit äußerst kritisch kommentiert („Du siehst aus wie ein Heckenpenner!“) Jetzt findet der Look allerdings ihre gnädige Billigung. An dieser Front also schon mal Entspannung, der Rest wird sich ebenfalls finden. Dass die physische Hülle, die mich durchs Leben trägt, sich zügig dem Haltbarkeitsdatum nähert, ist mir ohnehin bekannt und insofern keine Überraschung. Mein Lebensmotto ist, neben dem Standard „Peace and Harmony in Daily Living“, der ebenso zeitlose Klassiker „Mit den richtigen Drogen lässt sich alles ertragen!“ Darum mache ich mir fürs Erste keine größeren Sorgen über den Verfall meiner körperlichen Hardware.